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Interview mit Andreas Buck

"Rehhagel war in seiner Menschenführung unschlagbar."

Andy Buck wurde mit dem VfB Stuttgart DFB-Pokalsieger und deutscher Meister, ehe er mit dem Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern 1998 die Sensations-Meisterschaft feierte.

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von Nico Petrowsky


Andreas Buck, bevor wir uns mit der Vergangenheit beschäftigen, möchten wir gerne wissen was Sie im Anschluss an Ihre Karriere gemacht haben und heute machen?
Ich habe direkt nach meinem Karriereende in Mainz am 30.6.2003 die Versicherungsagentur meines Onkels übernommen. Das ist eine Versicherungsagentur im Raum Stuttgart mit einem sehr großen Bestand, also ich wäre ziemlich dämlich gewesen, wenn ich das nicht gemacht hätte. 2007 kam dann hinzu, dass ich ehemalige und aktive Berufssportler im Falle von Berufsverletzungen vertrete. Darüber hinaus versuche ich auch die Vermögensplanung ein bisschen zu strukturieren.


Sie sind 1988 als 20-Jähriger aus der Oberliga zum SC Freiburg in die 2. Bundesliga gewechselt. Wie kam der Kontakt damals zustande?
Damals gab es noch einen Amateur-Länderpokal. Da hat dann jedes Bundesland eine Auswahl mit den ganzen Nachwuchstalenten aus den Amateurligen gestellt. Das war sozusagen ein Sammelbecken für alle Amateurtalente in Deutschland. Die Scouts hatten dann leichtes Spiel, weil sie bei diesen Turnieren alle Talente gebündelt beobachten konnten. Dadurch wurde ein Scout vom SC Freiburg auf mich aufmerksam.


Können Sie sich noch an die Höhe Ihres ersten Profigehalts erinnern?
Mein erstes Profigehalt beim SC Freiburg lag damals bei 2500 DM brutto, zuzüglich Freikost bei einem Gastronomen in Freiburg, dass ich mich ordentlich ernähre.


Sie waren in Freiburg direkt Stammspieler, woraufhin der VfB Stuttgart auf Sie aufmerksam wurde und Sie 1990 in die Bundesliga holte. Nachdem Christoph Daum im November Willi Entenmann beerbt hatte, wurden Sie zum unverzichtbaren Stammspieler. Worin lagen die grundlegendsten Unterschiede der Beiden?
Unter Willi Entenmann war es so, dass er eher den Dialog mit den etablierten Spielern gesucht hat und keine Experimente mit jungen Spielern einging. Er wollte nämlich keine Konflikte mit den etablierten Spielern riskieren. Wir jungen Spieler haben uns damals selbst „Bautrupp“ genannt, weil es unsere Aufgabe war die ganzen Hütchen und alles zu schleppen. So haben wir unsere Aufgabe im Kader definiert, wir waren eben der Bautrupp. Als Christoph Daum kam, hat dieser mit
Eyjólfur Sverrisson und mir zwei Spieler in die Stammmannschaft berufen, die vorher überhaupt keine Rolle gespielt haben.


Mit Christoph Daum kam der Erfolg und der VfB wurde 1992 Deutscher Meister an einem absolut verrückten letzten Spieltag mit der Konstellation, dass Frankfurt, Dortmund und Stuttgart punktgleich ins Rennen gingen. Buchwald köpfte in der 88. Minute den Siegtreffer. Wie haben Sie den 16.5.1992 erlebt?
Wir hatten eigentlich damit gerechnet, dass Frankfurt Meister wird, weil die in der ganzen Saison den deutlich besten Fußball gespielt haben und auch eigentlich nur ihr Spiel in Rostock gewinnen mussten. Wir hätten da machen können, was wir wollten und Rostock war auch schon so gut wie abgestiegen. Also von daher war es relativ sicher, dass Frankfurt das Rennen machen wird und wir hatten überhaupt keinen Druck. Wir mussten in Leverkusen spielen, die selbst noch den UEFA-Cup erreichen wollten und somit auch unbedingt gewinnen mussten. Unsere Aufgabe war somit also deutlich schwerer und die Wahrscheinlichkeit, dass wir das packen war gering. Dann haben wir gehört, dass es in Dortmund kurz vor Schluss unentschieden stand und Frankfurt gegen Rostock hinten lag. Da war für uns dann schon klar, dass uns ein Tor zum großen Coup reichen würde. Guido war dann zum Glück zur Stelle und hat das Ding reingemacht.


Was glauben Sie, warum Christoph Daum so erfolgreich war?
Christoph Daum hatte ein unglaubliches Talent dafür, tote Mannschaften wieder zum Leben zu erwecken. Eine Mannschaft, die Potenzial hatte, aber es nicht abrufen konnte, konnte er wirklich gut zum Leben erwecken. Er hat da eine unheimliche Energie vorgelebt und ausgestrahlt. Ohne Qualität im Kader kann natürlich auch ein Christoph Daum nichts machen, aber wenn Qualität in der Mannschaft ist und die aus irgendeinem Grund nicht funktioniert, dann ist er genau der Richtige.


Im Meisterjahr kam es zu dem Europapokalkrimi gegen Leeds United, als der VfB zu Hause 3:0 gewann. Wegen eines Wechselfehlers von Daum wurde das Rückspiel mit 0:3 gewertet. Wie hat die Mannschaft intern auf den fatalen Wechselfehler von Daum reagiert?
Das war für die Mannschaft ein heftiger Schlag. Wir hatten das Rückspiel zwar 1:4 verloren, aber wären aufgrund des Auswärtstores eben weiter gewesen. Das war ein extrem intensives Spiel, aber im Endeffekt war egal, was wir geschafft hatten. Christoph Daum hat da ein wenig diesen Nimbus verloren, der Unfehlbare zu sein. Die Mannschaft hatte er dadurch ein bisschen verloren, weil wir ihm vorher blind gefolgt sind. Das war schon ein Nackenschlag für ihn und uns und er hat dadurch auch selbst gemerkt, dass ein bisschen mehr Demut ganz gut gewesen wäre.


Im Entscheidungsspiel verloren Sie den Ball, was den Siegtreffer für Leeds und das Ausscheiden zur Folge hatte. Hat die Mannschaft Sie verantwortlich für das Ausscheiden gemacht?
Die Hierarchie in der Mannschaft ist immer so ein schmaler Grad und ständig in Bewegung. Ich hatte das Auswärtstor gegen Leeds auch erzielt und bin dadurch in der Hierarchie extrem gestiegen. Aber in dem Entscheidungsspiel mache ich dann den entscheidenden Fehler und falle in dieser Hierarchie sofort wieder runter. Die Mannschaft hat mir zwar keinen Vorwurf gemacht, aber natürlich guckt einen dann jeder an nach dem Motto - warum hast du den Ball nicht einfach weggeschlagen?! Das spürt man einfach. Gerade als junger Spieler, für den es immer nur bergauf ging, war das ein extremer Nackenschlag, von dem ich mich erstmal erholen musste.


Wie baut man sich selbst nach so einem Bock wieder auf?
Das hat schon erstmal ein halbes Jahr gedauert und ich habe danach immer wieder Fehler gemacht, die zu Toren geführt haben. Das war ein richtiger Kreislauf. Ich habe mich irgendwann in der Winterpause auch gefragt, ob das überhaupt noch Sinn macht mit dem Fußball. Dann habe ich im Urlaub einen Aussteiger mit Rastalocken kennengelernt. Der hat nichts gearbeitet und nur rumgehangen und Volleyball gespielt. Dem habe ich dann mein Herz ausgeschüttet und er meinte: „Hör doch einfach auf damit. Lass den Fußball sein und mach einfach was anderes.“ Das war schon eine mystische Veranstaltung. Aber ich habe dann gedacht, dass er Recht hat. Ich habe dann den Reset-Knopf gedrückt und gesagt, wenn es gar nicht mehr geht, dann studiere ich eben. Es wird schon irgendwie weitergehen. Und auf einmal lief es wieder und ich habe meine Lockerheit zurückbekommen.


In den folgenden Jahren gehörten Sie immer zum Stammpersonal, ehe die Einsätze unter Trainer Joachim Löw in der Saison 96/97 weniger wurden. Waren Verletzungen der Grund hierfür oder setzte Löw auf andere Spieler?
Er hat definitiv auf andere Spieler gesetzt. Man wollte auch einen kleinen Umbruch durchführen und da waren eben ältere Spieler wie Kögl, Buck oder Kruse nicht mehr so erwünscht. Jogi hat das dementsprechend dann umgesetzt. Wir hatten damals aber auch eine wahnsinnig gute Truppe mit Bobic, Elber, Balakov. Er hat ja auch richtig Erfolg gehabt und guten Fußball gespielt. Von daher gab es für ihn auch keine Notwendigkeit mich spielen zu lassen. Es wurde also schon auf andere Leute gesetzt und das habe ich auch deutlich gemerkt.


Zum Abschied aus Stuttgart gewannen Sie 1997 den DFB-Pokal und wechselten zum Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern. Ist Ihnen der Wechsel von einem Europapokalteilnehmer zu einem Bundesliga-Aufsteiger schwergefallen?
Viele in meinem Umfeld haben das damals auch nicht richtig verstanden. Zumal ich auch nach Bremen hätte gehen können. Aber als Otto Rehhagel mich angerufen hat, hat er mich begeistert. Zum einen hat sich Otto Rehhagel enorm bemüht und zum anderen habe ich auch als Gegner oft genug in Lautern gespielt und ich fand die Atmosphäre dort so geil. Ich dachte mit meiner Spielweise und meiner Schnelligkeit sollte ich dort eigentlich ganz gut ankommen. Das waren so die ausschlaggebenden Punkte.


In Kaiserslautern waren Sie unter Otto Rehhagel auf Anhieb unumstrittener Stammspieler und das Märchen nahm seinen Lauf. Ab welchem Zeitpunkt dachten Sie zum ersten Mal, dass die Sensation möglich ist, mit einem Aufsteiger Deutscher Meister zu werden?
Ich glaube es gab einen Spieltag im Februar, also in der Rückrunde schon, da mussten wir in Stuttgart spielen, die richtig stark waren und Bayern spielte in Berlin. Wir hatten einen Punkt Vorsprung. Da hat eigentlich jeder damit gerechnet, dass wir in Stuttgart verlieren und die Bayern an uns vorbeiziehen. Aber es kam genau anderes herum. Wir gewannen in Stuttgart und Bayern verlor in Berlin, sodass wir plötzlich vier Punkte Vorsprung hatten. Da habe ich gedacht, die Bayern versuchen immer uns zu kriegen, aber sie schaffen es nicht. Seit dem dritten Spieltag versuchen sie es, aber sie kommen einfach nicht an uns vorbei. Und wenn wir es schaffen, als Aufsteiger Deutscher Meister zu werden, dann ist das etwas für die Ewigkeit. Da dachte ich zum ersten Mal, das könnte funktionieren.


Am vorletzten Spieltag wurde der FCK mit einem 4:0-Sieg gegen Wolfsburg Deutscher Meister. Welche Erinnerungen haben Sie noch an die Feierlichkeiten?
Das war eine spontane Feier, weil wir nicht damit gerechnet haben, dass wir an diesem Spieltag Meister werden. Deswegen sind wir zunächst einmal mit allen Spielern und Spielerfrauen zum Italiener gegangen und dann haben wir die ganze Nacht mit den Fans durchgefeiert. Auch mit den Wolfsburger Spielern, die über Nacht geblieben sind. Ich weiß noch, dass Roy Präger das Trikot von Olaf Marschall anhatte und auf dem Tisch tanzte. Das war echt richtig geil und auch die nächsten Tage haben wir viel gefeiert. Die ganze Stadt stand da auf dem Kopf.


Wer war denn generell der trinkfesteste Weggefährte in ihrer Karriere?
Klar, da gibt es den ein oder anderen. Aber so richtig im Bewusstsein blieb mir Andriy Voronin in meinem letzten Jahr in Mainz. Der hat mich mal eingeladen zum Vodka-Trinken. Diesen Abend werde ich nie vergessen, weil es mir drei Tage schlecht ging und ich an ihm keinerlei Veränderung feststellen konnte. Also es gab immer den Typ Spieler, der trinkfest war, aber Andriy Voronin war brutal.


Obwohl es der FCK in der folgenden Saison wieder nach Europa schaffte und in der Champions League erst im Viertelfinale an Bayern scheiterte, sprechen heute nicht wenige Fans davon, dass der Größenwahn nach der Meisterschaft mitverantwortlich für den späteren Untergang war. Wie sehen Sie das?
Ich glaube, es wäre sogar finanziell gut gegangen, wenn wir uns in den folgenden zwei, drei Jahren auch für die Champions-League qualifiziert hätten. Dann hätte man das irgendwie auffangen können. Aber die Gehälter und Ablösesummen, die dann teilweise für Spieler gezahlt wurden, die doch nicht das gebracht haben, was man sich erhofft hatte, haben den Verein in eine Abwärtsspirale hineingeführt. Da das mit der Champions-League allerdings nicht geklappt hat, hat man sich irgendwann hoffnungslos verschuldet und die Spirale führte immer weiter nach unten.


1999 verlor der FCK im UEFA-Cup Hinspiel bei Tottenham 0:1. Im legendären Rückspiel passierte lange Zeit nicht viel, ehe der Betzenberg in der Nachspielzeit explodierte. Erklären Sie uns aus Ihrer Sicht den Grund dafür.
An das Spiel kann ich mich auch noch sehr gut erinnern. Es war so ein typisches 0:0. In diesem Spiel hat Youri Djorkaeff, den ich als sehr guten Spieler in Erinnerung habe und der auch immer alles gegeben hat, jedoch in seiner FCK-Vita für Außenstehende nicht wirklich gut wegkommt, in der 90. Minute ein geniales Solo gestartet und ist an vier Leuten vorbei. Ich war rechts völlig frei und habe die ganze Zeit gewartet, dass er endlich den Ball abspielt. Im letzten Moment legt er ihn dann rüber und ich mache das 1:0. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir allerdings nur noch Offensive auf dem Feld, weil wir alles riskiert haben. Wir dachten dann, dass wir in einer Verlängerung schlechtere Karten hätten. Deswegen sind wir nochmal angerannt und es gab fast die identische Situation - Solo von Youri, er legt mir den Ball raus und ich wollte ihn eigentlich nur in die gefährliche Zone hineinbringen, schieße aber Stephen Carr an und der macht ein Eigentor. Das war so ähnlich wie Bayern gegen ManU, nur mit dem besseren Ausgang für die deutsche Mannschaft. Das sind die geilsten Siege.


Ein gutes Jahr später kam es zu einem weiteren Leckerbissen auf europäischem Terrain, nachdem es bei den Glasgow Rangers eine 0:1-Niederlage setzte. Im Fritz-Walter-Stadion spielte der FCK wie entfesselt und siegte mit 3:0. Wieder waren Sie unter den Torschützen. Ich habe selten so eine Lautstärke in einem Stadion erlebt, was auch an den tollen Fans der Rangers lag. Empfindet man so eine Atmosphäre als Spieler bewusst?
Ja, definitiv. Speziell das Hinspiel in Glasgow werde ich auch nie vergessen, weil dort eine enorme Lautstärke war. Da geht man durch den Spielertunnel nach draußen und bekommt Gänsehaut. In solchen Momenten muss man sich im Prinzip auch gar nicht warm machen, weil man so viel Adrenalin im Blut hat und diese Lautstärke als Energie aufsaugt. Im Rückspiel war es genauso. Die Jungs aus Glasgow haben Theater gemacht und unsere Fans haben genauso viel Theater gemacht, weil es auch zu einigen unschönen Szenen im Hinspiel kam. Deswegen war da eine Explosivität im Stadion, das nimmt man als Spieler einfach wahr. Ich habe es auch geliebt mich in Dortmund vor der gelben Wand warm zu machen, weil man von Zehntausenden ausgepfiffen wird. Das ist auch ein geiles Gefühl.


In Ihrer Karriere haben Sie mit großen Trainern wie Daum, Rehhagel oder Löw zusammengearbeitet. Wie unterschieden sich diese Trainertypen und welcher war Ihrer Meinung nach der beste Trainer, den Sie hatten?
Die hatten alle ihre unterschiedlichen Qualitäten. Otto Rehhagel war z.B. in seiner Menschenführung unschlagbar und hatte ein Händchen dafür, einen Kader so zusammenzustellen, dass er funktionierte. Trainingslehre war nicht unbedingt sein Ding, aber das ist wahrscheinlich hinreichend bekannt. Aber wenn ich jetzt das Gesamtpaket von allen Trainern betrachte, dann würde ich sagen, dass Jürgen Klopp derjenige war, der vom Fachlichen und von der Ansprache her alles mitgebracht hat. Das Paket hat bei ihm einfach komplett gestimmt.


Stehen Sie noch mit ehemaligen Mannschaftskameraden in Kontakt oder haben sich gar Freundschaften entwickelt, die Sie heute noch pflegen?
Freundschaften haben sich definitiv entwickelt und die sind sogar nach der Karriere noch tiefer als während der Karriere, weil man sich da nie so öffnet. Jeder trägt ein wenig sein Ego spazieren und niemand will Schwäche zeigen. Man öffnet sich eigentlich in der ganzen Karriere niemandem so richtig. Aber heute ist gerade ein
Eyjólfur Sverrisson, aus meiner Zeit beim VfB Stuttgart, sicher einer meiner besten Freunde oder auch ein Thomas Riedl. Also es gibt sicher einige Jungs, mit denen ich sehr dicke befreundet bin. Vor kurzem haben wir auch erst ein Treffen mit den 98ern gemacht und da freut man sich immer, wenn man sich wiedersieht.


Sie haben weit über 300 Profispiele absolviert. Wäre eine Trainerkarriere mit dieser Erfahrung keine Option für Sie gewesen?
Das war für mich keine Option. Ich war 15 Jahre Profi und irgendwann hat man von dem Fußballgeschäft auch die Schnauze voll, denn es geht eben auch nicht immer um Leistung. Und man kann als Trainer auch einen richtig guten Job machen, aber aus irgendwelchen Gründen funktioniert es manchmal einfach nicht und dann muss man wieder umziehen, die Kinder bei der Schule abmelden, usw. Das was war für mich also keine Option. Ich hatte aber auch schon den Plan mit der Versicherungsagentur in der Hinterhand.


Gab es Mitspieler, die Sie besonders beeindruckt haben?
Da gab es viele. Rein fußballerisch war das Giovane Élber, der hatte nur Stärken. Das habe ich so zuvor und auch danach nie wieder so erlebt. Der wirkte z.B. im Sprinttraining nie so schnell, aber sobald er einen Ball am Fuß hatte war der plötzlich viel schneller. Das war unglaublich. Aber auch Michael Schjonberg mit seiner Mentalität. Man sieht oft dieses 1:0 von ihm in München. Da köpft er das Tor und meckert mit dem Schiedsrichter. Aber aus dem Grund, weil es vor dem Freistoß keine gelbe Karte gegeben hat. Der war immer unter Strom und verkörperte eine unglaubliche Siegermentalität.


Hatten Sie auch ein Vorbild?
Als Kind fand ich Karl-Heinz Rummenigge immer klasse. Da muss ich mich jetzt auch tatsächlich outen, aber als Kind war ich Bayern-Fan und habe mir sogar mal ein Trikot gekauft. Karl-Heinz Rummenigge war damals schon mein Idol.


Wer war denn ihr unbequemster Gegenspieler?
Das habe ich vor kurzem bei einer Lesung in Dortmund gesagt - das war Dede. Der war so beweglich, wenn man einen Haken gemacht hatte und dachte man sei vorbei, stand er auf einmal wieder da, weil er so beweglich und antrittsstark war und er auch nach vorne viel gemacht hat. Lizarazu von München war auch schwer, aber eigentlich nur defensiv, weil der nie mit nach vorne gegangen ist. Aber es war sehr schwer an ihm vorbei zu kommen, weil er einfach sehr hohe Qualität hatte und auch mit Frankreich Weltmeister wurde. Das kommt auch nicht von ungefähr.


Sie haben die Veränderungen im Profifußball von Ende der 80er bis heute persönlich erlebt. Welche sind die schwerwiegendsten Veränderungen für die Spieler und die Fans?
Die größte Dominanz auf dem Spielfeld ist in letzter Zeit einfach die Dominanz der Bayern. Und das resultiert meiner Meinung nach aus der Champions League. Da haben die großen Vereine ein Konstrukt entwickelt, wodurch die Kluft zu anderen Vereinen einfach immer größer wird. Die Bayern haben jetzt dieses Jahr 120 Millionen allein durch die Champions-League eingenommen und das ist ein riesiger Vorsprung, mit dem sie in die Saison starten. Das ist ungefähr so, als ob man Usain Bolt vier Sekunden Vorsprung gegeben hätte, obwohl er sowieso der Schnellste war. Auf Dauer erzielt man damit in der Spitze eben keinen Wettbewerb. Bei uns war es damals so, dass die meisten Mannschaften gegen Bayern gewinnen konnten, obwohl Bayern qualitativ besser war, wenn man einfach alles reingehauen hat und über das Kollektiv kam. Und heute ist das einfach nicht mehr möglich, weil Bayern qualitativ so viel besser ist, als 90% der Mannschaften in der ersten Liga. Und dann geht es mir persönlich so, dass ich nach dem 1:0 für die Bayern abschalte. Weil nach dem 1:0 weiß man genau, was passiert. Die Bayern spielen sich die Bälle zu und die gegnerische Mannschaft muss wahnsinnigen Aufwand betreiben, um überhaupt mal an den Ball zu kommen und irgendwann fällt das 2:0 und das 3:0 und die Dinge nehmen ihren Lauf. Das macht in der Spitze dann einfach nicht mehr so viel Spaß zuzugucken. Selbst bei einer Schwächephase, wie am Anfang dieser Saison, haben die anderen Vereine keine Chance, weil die Bayern es dann schaffen doch wieder so eine Konstanz in ihr Spiel zu bekommen und das kann einfach keine andere Mannschaft.


Ist es Ihnen schwergefallen vom einen auf den anderen Tag von der großen Fußballbühne zu steigen?
Eigentlich nicht, da es gegen Ende meiner Karriere auch immer weniger wurde. In meinem letzten Jahr in Lautern habe ich schon nicht mehr viel gespielt und in Mainz in der zweiten Liga war man dann auch nicht mehr so in der Öffentlichkeit. In Mainz war ich dann gegen Ende auch fast nur noch verletzt und die Öffentlichkeit hat mich auch kaum noch wahrgenommen. Von daher war der Schritt raus aus dem Fußball schlussendlich auch kein so großer mehr. Nur die Umstellung, dass man nach 15 Jahren Profi dann auf einmal nicht mehr zum Training fährt war groß und dass sich der Ablauf generell komplett ändert.


Glauben Sie, dass Sie in Ihrer Karriere alles richtig gemacht haben oder gab es Dinge, die Sie heute anders machen würden?
Also ich glaube ich kann mit meiner Karriere allein zahlenmäßig, sprich die Anzahl der Titel, hochzufrieden sein. Als Aufsteiger Meister zu werden ist einfach geil. Mit dem Wechsel nach Kaiserslautern habe ich alles richtig gemacht und deswegen bin ich auch überwiegend dankbar. Ich hätte vielleicht beim Thema Nationalmannschaft manchmal etwas aktiver sein sollen und Ansprüche anmelden müssen, dann hätte ich sicherlich auch das ein oder andere Länderspiel gemacht, aber wer weiß für was es gut war, dass ich es nicht gemacht habe.


Zum Abschluss würde ich Ihnen nun gerne einige Namen nennen und Sie darum bitten, aufgrund persönlicher Erfahrungen, in aller Kürze etwas zu ihnen zu sagen.
Dunga: Spontan - ein unglaublich langsamer Spieler. Aber er war wie ein Vater für die jungen Spieler. Er hat sich den Jungs angenommen und hat versucht sie besser zu machen. Auch ein unheimlich sympathischer Typ mit einem wahnsinnig guten Auge. Aber schnell war er wirklich nicht. Da gibt es eine kleine Anekdote. Wir hatten eine Videoanalyse nach einem Spiel und es lief eine Szene, in der er einem Gegenspieler hinterher sprintet. Der Trainer hat dann gesagt: „Carlos, du musst auch mal sprinten!“ Und dann hat Carlos gesagt: „Trainer, das ist Sprint!“ Also da ging einfach nicht mehr.

Matthias Sammer: 1992 bei uns der mit Abstand beste Spieler mit unheimlichem Siegeswillen und unheimlicher Dynamik. Ich muss wirklich sagen, er war einer der besten 10er, mit dem ich je zusammengespielt habe.

Mario Basler: In Bremen ein unglaublich guter Spieler, mit genialem Schuss und auch unglaublich schnell. Als er zu uns nach Lautern kam, hatte er seine beste Zeit schon hinter sich und hat unser Mannschaftsgefüge durcheinandergebracht.

Ratinho: Mein kongenialer Partner auf der rechten Seite. Gestartet sind wir im Meisterjahr als Konkurrenten, aber nach drei Spieltagen waren wir schon das kongeniale Duo. Keiner hat es so gut verstanden, den Ball in die Gasse zu spielen, wie er.

Miroslav Klose: Ein unheimlich sympathischer, bodenständiger Kerl. Von ihm habe ich im ersten halben Jahr gedacht, dass er gar nicht sprechen kann, weil er in der Kabine nie etwas gesagt hat. Aber er hatte einen eisernen Willen und war in seinem Kopfballspiel einfach nicht zu verteidigen. Der hatte eine Sprungkraft, das war unfassbar.

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