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Interview mit Thomas Stratos

"...aber da ist einer, der schwebt über uns allen!"

Thomas Stratos spielte für den Hamburger SV, Arminia Bielefeld und den 1. FC Saarbrücken. Er hat mit uns über seine schweren Verletzungen, Enttäuschungen und gute Freunde, die er durch den Fußball kennengelernt hat, erzählt.

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von Mario Gailing


Thomas Stratos, bevor wir uns mit der Vergangenheit beschäftigen, möchten wir gerne wissen, was du im Anschluss an deine Karriere gemacht hast und heute machst?

Kurz nach meiner Spielerkarriere eröffnete ich ein Fitnessstudio, weil ich etwas anderes machen wollte, außerhalb des Fußballs und ich habe mich erstmal mehr um meine Kinder gekümmert. Das war mir wichtiger. Dieses Studio führte ich bis 2011. Ich merkte aber, dass mir der Fußball fehlt. Nebenbei habe ich meine B-Lizenz gemacht. 2005 habe ich beim SC Verl eine Co-Trainerstelle übernommen. Meinen ersten Cheftrainerposten übernahm ich ein Jahr später beim FC Gütersloh. Über den Hammer SV kam ich zum SC Wiedenbrück, den ich von der sechsten in die vierte Liga führte. Ich habe meinen Fußballlehrer gemacht und hatte Stationen in Regensburg und beim BFC Dynamo. Ab 2017 war ich für zwei Jahre Co-Trainer der griechischen Nationalmannschaft unter Michael Skibbe. Das war ein Traum. WM-Quali gegen Belgien und Kroatien. Großartig. Danach war ich noch bei Fortuna Köln und bin bis Februar 2021 nach Saudi-Arabien mit Michael Skibbe. Sehr interessantes Land mit höflichen, hilfsbereiten Menschen. Sehr fortschrittlich. Die Trainingsbedingungen waren nicht optimal, aber drum herum alles sehr luxuriös. Die Lebensqualität war super. Als wir die Mannschaft übernahmen, mussten wir sie erst fit machen, weil viele Spieler nach 50 Minuten schon Krämpfe bekamen.

Kommen wir zu deiner Karriere. Du bist erst mit 23 Profi beim Hamburger SV geworden. Hast du einen Beruf erlernt oder alles auf die Karte Profifußballer gesetzt?
Mit 17 habe ich eine Lehre zum Kfz-Mechaniker bei VW/Audi/Porsche in Bad Salzuflen begonnen. Parallel dazu habe ich beim FC Gütersloh in der damals dritthöchsten Liga, der Oberliga, gespielt und bin dann zu Arminia Bielefeld gegangen. Nachdem ich meine Lehre abgeschlossen habe, habe ich das eine Jahr noch in Bielefeld gespielt und bin dann zum HSV gewechselt.


Der große HSV holte dich aus der Oberliga von Arminia Bielefeld in die Bundesliga. Wie entstand der Kontakt und mit wem hast du damals vom HSV verhandelt?
Es war mein großer Traum für den HSV zu spielen. Meine Lehrerin von früher erzählt mir noch heute, wenn wir uns sehen, dass sie noch alte Schülerhefte von mir hat und ich dort immer reingeschrieben habe, dass mein Berufswunsch Profi beim HSV ist. Der Kontakt ist damals entstanden, als mich Benno Möhlmann, der Co-Trainer von Gerd-Volker Schock beim HSV war, bei Bielefeld beobachtet hat.


Plötzlich warst du Mannschaftskamerad von HSV-Legenden wie Manni Kaltz oder Thomas von Heesen. Wie wurdest du von den gestandenen alten Hasen als Jungspund aufgenommen?
Ich hatte das Selbstvertrauen, dass ich ganz offen gesagt habe, dass ich spielen werde. Das kam vielleicht bei dem ein oder anderen nicht so gut an. Aber ich war felsenfest davon überzeugt. Manni Kaltz war für mich schon lange vor meiner Zeit beim HSV der Größte, ein Fußballgott. Mit Thommy von Heesen war ich jeden Tag Kaffee trinken, später bei Arminia Bielefeld wohnten wir sogar gemeinsam in einer WG. Das war schon etwas ganz Großes für mich.


In deiner ersten Saison hast du schnell zum Stammpersonal gehört. Wie schwierig war der Sprung in die Bundesliga?
Im ersten Jahr lief es überragend für mich. Der Sprung war natürlich riesig. Die Oberliga war damals Amateurbereich und nicht mit der dritten Liga von heute zu vergleichen. Das waren natürlich Welten zur Bundesliga, aber der Trainer hat mir das Vertrauen geschenkt und auf mich gesetzt.


Der HSV spielte eine gute Runde und stand am Ende der Saison auf einem UEFA-Cup-Platz. In der darauffolgenden Saison spielte der HSV gegen den Abstieg. War die häufig genannte „Doppelbelastung“ durch den UEFA-Cup schuld?
Ich glaube eher nicht, dass es an der Doppelbelastung gelegen hat. Wir hatten einen riesigen Ausfall, da Thomas Doll zu Lazio Rom gewechselt ist. Seinen Weggang konnte man nicht kompensieren. Er war der beste Fußballer, mit dem ich jemals zusammengespielt habe. Ich sagte zu meiner Frau damals, dass beim HSV jede Menge gute Jungs spielen, aber da ist einer, der schwebt über uns allen. Der ist nochmal eine Klasse besser. Und das war Thomas Doll.


Du warst in deiner zweiten Saison beim HSV nicht mehr erste Wahl. Warum riss der damalige Trainer Gerd-Volker Schock das funktionierende Team aus der Vorsaison derart auseinander?
Schock wollte mich behalten und den Vertrag schon verlängern. Dann wurde er entlassen und Egon Coordes kam. Er war nicht gut für mich. Hinterher hat man festgestellt, dass es mit ihm nicht gepasst hat und ich bin mehr oder weniger vor ihm geflüchtet.


Nach dieser unbefriedigenden Saison bist du zum Bundesliga-Konkurrenten 1. FC Saarbrücken „geflüchtet“, wie du selbst sagst. Dort hast du deinen Stammplatz schnell verloren und Saarbrücken stieg ab. Hast du den Wechsel bereut?
Ich bereue nichts im Leben. Alles, was ich getan habe, habe ich im vollen Besitz meiner geistigen Kräfte getan. Wenn ich Entscheidungen getroffen habe, bin ich alle Eventualitäten durchgegangen.


Trainer in Saarbrücken war ein gewisser Feuerwehrmann Peter Neururer, der den Abstieg allerdings nicht verhindern konnte. Wie hast du Neururer als Trainer erlebt?

Peter Neururer ist ein sehr guter Rhetoriker und kann eine Mannschaft motivieren, aber drum herum lief einiges nicht gut. Ein großer Unterschied zum HSV. Ich habe mich dort nicht wohlgefühlt. Es war keine gute Zeit. Es war nicht so, dass alles ordentlich und sauber gelaufen ist. Die Art und Weise, wie der Verein und das Trainerteam nach einem Kreuzbandriss mit mir umgegangen sind, war sehr traurig. Daran will ich gar nicht mehr zurückdenken.


In der zweiten Bundesliga wurdest du nur in drei Spielen eingesetzt und bist in Folge dessen zu Arminia Bielefeld zurückgegangen. Wie schwer ist dir der Schritt in die Regionalliga gefallen?
Meine Verletzung ließ nicht mehr Einsätze zu. Ich musste mehrmals operiert werden. Im Februar 1993 ist das Kreuzband gerissen und ich bin zu früh wieder eingestiegen, weil keiner darauf geachtet hat und sogar Druck aufgebaut wurde. Nach drei Tagen im Training ist das Kreuzband wieder gerissen. Ich merkte, dass es nicht mehr geht, stellte einen Antrag auf Sportinvalidität und ging nach Bielefeld zurück, wo ich regelmäßig beim Training zugeschaut habe und mit ehemaligen Mitspielern immer mal wieder einen Kaffee getrunken habe. Es lief nicht bei Arminia in der Regionalliga und Ernst Middendorp wurde Trainer, den ich einige Wochen vorher getroffen hatte. Er fragte mich, ob ich mittrainieren wolle und irgendwann habe ich auch wieder, unter Schmerzen, gespielt. Die Liga war mir egal. Ich wollte einfach wieder spielen und hatte mit Middendorp einen Trainer, der gut für mich war. Manager Rüdiger Lamm hatte eine Vision und konnte mich begeistern. Das war wichtig für mich.


Mit der Arminia bist du als Stammspieler bis in die Bundesliga durchmarschiert. War es auch wichtig für dich, dass du dir selbst beweisen konntest, dass du die Qualität besitzt, um Bundesliga zu spielen?
Beweisen wollte ich mir und anderen nichts. Ich war der einzige griechische Bundesligaspieler und war kurz davor zur Nationalmannschaft eingeladen zu werden. Die WM 1994 stand vor der Tür, aber durch meinen Kreuzbandriss ging das alles kaputt. Ich war plötzlich am Tiefpunkt und alles ging den Bach runter. Wenn man dann so rumsitzt, denkt man nicht daran sich zu beweisen, sondern freut sich einfach, dass man noch einmal Fußball spielen kann. Ich war geil auf Fußball und dankbar, dass ich wieder mit Freunden diesen wunderbaren Job, diesen wunderbaren Sport ausüben konnte.


Die Arminia hat mit Uli Stein einen tollen Torwart verpflichtet, dessen Charakter nicht den besten Ruf in der Öffentlichkeit hatte. Wie würdest du Uli Stein als Mitspieler und Menschen beschreiben?
Ich habe Uli Stein als guten Freund kennengelernt. Vom ersten Tag an. Für mich gab es auch keinen besseren Torhüter. Uli ist überhaupt nicht schwierig. Wenn du erfolgreich sein willst im Fußball, musst du eine gewisse Gier, eine Krankheit im Kopf haben. Du musst dich schinden können, Schmerzen und Druck aushalten. Er sagt einfach alles geradeaus, unverschönt. Und das akzeptiert nicht jeder.


Wie vorhin schon erwähnt, warst du in den ersten Jahren kein unangefochtener Stammspieler. Wie bist du mit dem Leistungsdruck umgegangen? Man hatte damals nicht schon nach wenigen Jahren ausgesorgt und war schnell weg vom Fenster.
Für mich hatte Fußball schon immer in aller erster Linie nichts mit Geld zu tun, sondern mit Leidenschaft. Wir haben nicht so viel Geld verdient wie heute, aber wir haben gutes Geld verdient mit dem, was wir gerne gemacht haben. Der Druck war aber schon riesig und nur, wenn man ihm standhalten konnte, hatte man eine Chance im Profifußball. Es gab viele bessere Fußballer als ich, aber am Ende des Tages habe ich mich durchgesetzt. Ich habe Leistung gebracht und Verantwortung übernommen, für mich, andere Spieler und alles was dazugehört. Man weiß ja auch, wie viele Jobs davon abhängen, ob man die Liga hält oder nicht. Mit alldem muss man umgehen können.


In Bielefeld hast du mit Michael Sternkopf zusammengespielt, der beim KSC als eines der größten Talente in Deutschland galt und zu den Bayern wechselte. Er kam mit dem Fußballgeschäft überhaupt nicht klar. Hat man ihm angemerkt, dass er nicht glücklich ist?
Sterni ist ein super Junge. Er hat vieles lächelnd abgetan, obwohl man ihm schon angemerkt hat, dass es ihm nicht immer gut ging. Wir waren Zimmerkollegen. Im Nachhinein sehe ich, dass er mehr Probleme hatte, als ich wahrgenommen habe. Man war auch viel mit sich selbst beschäftigt. Aber im Fußballgeschäft bekam man auch damals schon unglaublich viel Geld und dann kann man sich nicht hinstellen und jammern. Ich sehe viele Leute um mich herum, die dieses Glück nicht hatten. Und wenn man diesen Druck nicht verkraftet, muss man ja nicht Fußball spielen. Dann muss man eben etwas anderes machen. Es wurde noch keiner gezwungen Profi zu werden. Das ist ein Job mit bestimmten Voraussetzungen und die muss man erfüllen können, wenn man Fußballer sein möchte.


Nach knapp sechs Jahren bei der Arminia, hast du deine Karriere in der zweiten Bundesliga beim 1. FC Saarbrücken ausklingen lassen. Würdest du rückblickend Dinge in deiner Karriere anders machen?
Ich glaube nicht, dass ich irgendwas anders machen würde und denke auch gar nicht darüber nach.


Thomas von Heesen, mit dem du viele Jahre zusammengespielt hast, war in Saarbrücken und schon zuvor in Bielefeld dein Trainer. Wie geht man miteinander um, wenn aus einem Mitspieler plötzlich der Trainer wird?
Das war wirklich schwierig. Wir hatten kleinere Probleme in Bielefeld und uns auch öfter gezofft. Später in Saarbrücken hatten wir dann zuerst gemeinsam Erfolg, aber dort war es nicht einfach für Thommy. Der Präsident nannte als Ziel die Meisterschaft in der zweiten Bundesliga und hatte schon ein Problem damit, wenn Trainer oder Spieler als Ziel „nur“ den Aufstieg nannten, den man auch mit dem dritten Platz erreicht hätte.


Welcher deiner Trainer hat am meisten Eindruck hinterlassen? 
Von jedem Trainer nimmt man etwas mit. Für meine Karriere war Ernst Middendorp der wichtigste Trainer. Ernst wusste, was er von mir bekommt und ich wusste, was ich von ihm bekomme. Auch als Mensch ist er überragend. Er hat es nicht oft gezeigt, weil er als Trainer nichts an sich heranlässt, aber privat lernt man ihn dann besser kennen. Auch Gerd-Volker Schock war ein richtig guter Typ und als Trainer sehr entspannt und unkompliziert.


Wo hat es dir unabhängig vom sportlichen Erfolg am besten gefallen?
Das erste Jahr beim HSV war überragend. Alles was ich da erlebt habe, ist noch heute in meinen Erinnerungen. Aber auch Bielefeld mit den Aufstiegen war toll. Von der dritten bis in die erste Liga. Überragend.


In welchen Bundesliga-Stadien hast du am liebsten gespielt und gab es Stadien, die du nicht mochtest?
In Dortmund zu spielen ist natürlich großartig. Als ich dann vor dieser riesigen Wand stand und einen Elfmeter schießen durfte und das Ding auch noch drin war, das war überragend. Auch Bochum oder Bielefeld waren schön, diese kleinen echten Fußballstadien. Der Charme dieser Stadien ging allerdings etwas verloren.


Stehst du noch mit ehemaligen Mannschaftskameraden in Kontakt oder haben sich gar Freundschaften entwickelt, die du heute noch pflegst?
Mit Thommy von Heesen bin ich noch regelmäßig in Kontakt und mit Uli Stein spiele ich fast wöchentlich Golf. Er lebt noch immer in meiner Nähe. Wir treffen uns so oft wie möglich. Auch mit Jockel Bode und Richard Golz pflege ich den Kontakt. Ich hatte das Glück, dass ich viele gute Freunde gefunden habe.
 

 

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