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Interview mit Dietmar Hirsch

"Bei meinem Elfer habe ich mir fast in die Hosen gemacht."

Dietmar Hirsch hatte seine größten Momente in Gladbach und Duisburg. Er hat uns unter anderem von der bitteren Niederlage im DFB-Pokalfinale gegen die Bayern erzählt.

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von Mario Gailing


Dietmar Hirsch, bevor wir uns mit der Vergangenheit befassen. Was machst du heute beruflich?
Ich bin Trainer bei Teutonia Ottensen in der Regionalliga. Ottensen ist ein Stadtteil von Hamburg.


Du bist mit 21 Jahren zu Borussia Mönchengladbach gekommen. Hast du alles auf die Karte Profifußballer gesetzt oder hast du eine Ausbildung als Plan B absolviert?
Nach dem Fachabitur habe ich eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten gemacht. Auch meinen Zivildienst habe ich geleistet. Mit 18 Jahren habe ich ja noch Bezirksliga gespielt, dann Landesliga mit Viersen. Ich war quasi Quereinsteiger in den Profifußball. Gladbach II hat mich beobachtet und ich wollte es versuchen, auch wenn einige Leute aus meinem Verein das nicht verstehen konnten.


Wie liefen die Verhandlungen mit Gladbach ab?
Ich saß bei Rolf Rüssmann im Büro am Bökelberg und habe überhaupt nichts gefordert. Er machte mich zum Vertragsamateur. Nach einem Jahr bekam ich dann meinen ersten Profivertrag.


Im ersten Jahr bei der Borussia bist du nur gelegentlich zum Einsatz gekommen. Hast du in dieser Zeit irgendwann daran gezweifelt, ob es auf längere Sicht für den Profifußball reicht?
Da war ich ja noch Amateur und die Mannschaft war unter anderem mit Kalle Pflipsen und Stefan Effenberg im Mittelfeld top besetzt. Ich kam oft nur, wenn sich jemand verletzte. Trotzdem habe ich gemerkt, dass es reicht, um im Profifußball mitzuhalten.


In deiner zweiten Saison bist du mit Gladbach DFB-Pokalsieger geworden. Wo und wie ausgiebig wurde gefeiert? 
Wir feierten im Hotel. Am nächsten Tag sind wir mit dem Bus durch die Stadt und wurden dann am Rathaus empfangen. Das war super.


Wie groß war die Enttäuschung, dass du im Finale nicht auflaufen durftest?
Ich war die vorherigen Spiele eigentlich immer im Kader und spielte meistens auch von Beginn an. Nachdem ich mich für einen Wechsel zum MSV Duisburg entschieden hatte, wurde ich kaum noch berücksichtigt und es kamen auch die angeschlagenen Spieler zurück, die natürlich alle bei diesem Spiel dabei sein wollten. Die jungen Spieler hatten damals auch nicht so ein hohes Ansehen.


Obwohl sich deine Einsatzzeiten in deiner zweiten Saison deutlich erhöht haben, bist du zum MSV Duisburg in die zweite Bundesliga gewechselt. Wurde dein Vertrag nicht verlängert oder hatte es andere Gründe, dass du diesen Schritt zurück gemacht hast?
Ich hatte noch ein Jahr Vertrag, aber ich wollte einfach noch mehr spielen. Trainer Bernd Krauss setzte lieber auf die etablierten Spieler, mit denen er noch als aktiver Spieler zusammengespielt hatte. Als dann das Angebot vom MSV kam, sagte ich zu, weil ich mir dort deutlich mehr Einsatzzeit versprach und ich auch nicht umziehen musste.


Beim MSV Duisburg bist du zum absoluten Stammspieler gereift. Am Ende deiner ersten Saison mit den Zebras stand der Aufstieg in die Bundesliga. Welche Erinnerungen hast du an den Aufstieg?
Wir waren 16 neue Spieler und Friedhelm Funkel löste Hannes Bongartz als Trainer ab. Ich war plötzlich ein wichtiger Teil in diesem Traditionsverein und habe mich sehr wohl gefühlt. Es hat einfach alles gut gepasst und es war auch die absolut richtige Entscheidung, diesen Schritt zurück zu machen.


Nachdem ihr katastrophal in die Bundesliga gestartet seid, habt ihr es am Ende aufgrund einer überragenden Rückrunde bis in den UI-Cup geschafft, über den man sich damals für den UEFA-Cup qualifizieren konnte. Warum habt ihr so lange gebraucht, um euch in der Bundesliga zu etablieren, bzw. wo lagen die größten Unterschiede zwischen erster und zweiter Bundesliga?
Das kann ich gar nicht so genau sagen. Manchmal hat man einfach solche Anlaufschwierigkeiten. Die erste Bundesliga war natürlich spielerisch deutlich besser, als die zweite Bundesliga. Viele von uns hatten auch noch nicht die große Erfahrung oder zuvor schon mal Bundesliga oder gar international gespielt.


Im UI-Cup seid ihr erst im Finale an AJ Auxerre gescheitert. Welche Erfahrungen der Europareise sind übriggeblieben?
Das war etwas ganz besonderes. Flüge in andere Länder. Andere Kulturen und andere Städte sehen, auch wenn wir wenig Zeit hatten, die Städte besser kennenzulernen. Man sieht einfach andere Stadien. In Moskau beispielsweise waren mehr Militärpolizisten als Zuschauer im Stadion. Schade, dass es am Ende nicht gereicht hat.


Auch in den darauffolgenden Jahren habt ihr euch stets im Mittelfeld der Bundesliga wiedergefunden. Was hat euch in diesen Jahren ausgezeichnet?
Wir hatten keine größeren Umbrüche. Die Mannschaft wurde nur punktuell verstärkt. Die Kameradschaft war super. Und Trainer Funkel wusste, wie er mit den Spielern umgehen muss. Er hat uns alle gleich gut behandelt. Da ließ sich nie einer hängen. Wir wussten, was es bedeutet für den MSV Duisburg zu spielen und hatten eine richtig starke Mentalität.


Drei Jahre nach dem DFB-Pokalfinale mit Gladbach, warst du 1998 mit dem MSV Duisburg wieder im Finale. Dieses Mal warst du in der Startelf und ihr habt äußerst unglücklich mit 1:2 gegen die Bayern verloren. Erzähl uns doch mal wie der Finaltag in Berlin ablief.
Eine Woche vor dem Finale spielten wir schon gegen Hertha im Olympiastadion und konnten uns schon ein bisschen daran gewöhnen. Es ist etwas ganz besonderes, vor allem durch das riesige Medienaufkommen. Die Duisburger Frauen haben auch noch vor uns gespielt. Beim letzten Training im Stadion vor dem Spiel war man dann schon nervös. Als sich dann das Stadion vor dem Spiel immer mehr füllte, begann das Kribbeln. Vor 72000 Zuschauern spielt man nicht jeden Tag. Schon gar nicht in einem Finale. Die Silbermedaille war toll.


In deiner letzten Saison für Duisburg seid ihr wieder weit im UI-Cup gekommen. Am Ende der Saison stand aber ein sang- und klangloser Abstieg mit ganzen 16 Punkten Rückstand auf das rettende Ufer. Woran hat es gelegen? War die Doppelbelastung durch den UI-Cup ausschlaggebend?
Das haben schon viele Leute gefragt. Ich glaube bei einem Verein wie dem MSV Duisburg muss schon alles zusammenpassen, um in der ersten Bundesliga zu spielen und in der Abstiegssaison hat nicht mehr alles funktioniert. Wir haben früh den Anschluss verloren. In Duisburg rechnet man aber auch damit, dass ein Abstieg passieren kann.


Du bist danach noch für Unterhaching und Hansa Rostock in der Bundesliga aufgelaufen, wo es immer gegen den Abstieg ging. Gab es nie die Möglichkeit für einen Verein zu spielen, der regelmäßig im Europapokal oder um die Meisterschaft gespielt hat?
Ich hatte die Möglichkeit nach England zu wechseln, aber mein Vertrag hat sich automatisch verlängert und man ließ mich nicht gehen. Nach der Seuchensaison war ich froh, dass der Wechsel zu Unterhaching geklappt hat und ich weiterhin Bundesliga spielen konnte. Und in Rostock bekam ich sogar noch einmal die Chance unter Funkel in der Bundesliga aufzulaufen. Von daher bin ich mehr als zufrieden mit dem, was ich erreicht habe, auch wenn ich nicht in den regelmäßigen Genuss kam, international zu spielen.


Du hattest in deiner Karriere Trainer wie Friedhelm Funkel, Lorenz-Günther Köstner oder Armin Veh. Von welchen Trainern hast du am meisten für deine Trainerkarriere mitgenommen und gab es einen persönlichen Favoriten für dich auf der Trainerbank?
Der beste war Friedhelm Funkel. Sein Umgang mit den Spielern war toll. Vor allem wie er mit den Ersatzspielern umgegangen ist, hat mir imponiert. Das war perfekt. Das hat ihn einfach ausgemacht, auch jetzt während seiner Zeit bei Köln noch. Er beherrschte die Kombination aus Zuckerbrot und Peitsche.


Gibt es bestimmte Spiele oder Szenen, an die du dich besonders gerne zurückerinnerst?
Ich denke oft, aber nicht gerne, an den Freistoß von Mario Basler im Pokalendspiel. Das war einfach unser größtes Spiel. Dass Bachirou Salou raus musste, war der Knackpunkt. Auch an das verrückte Halbfinale gegen Eintracht Trier denke ich noch häufig, als wir im Elfmeterschießen gewonnen haben. Bei meinem Elfer habe ich mir fast in die Hosen gemacht. Eigentlich war jedes Bundesligaspiel etwas Besonderes für mich mit Gänsehaut. Das habe ich durch harte Arbeit und einer guten Portion Glück erreicht.


Gibt es Dinge, die du heute in deiner Karriere als Spieler anders machen würdest?
Nein, gar nicht. Ich spielte anfangs nicht sehr hoch und habe es bis zum Profi geschafft. Das bedeutete viel Verzicht, aber es hat sich gelohnt. Mentalität ist das wichtigste. Man muss einfach immer mehr machen, als alle anderen.


In welchen Stadien hast du am liebsten gespielt?
Auf dem Bökelberg. Dort stand ich früher selbst in der Kurve. Ohne den ganzen Luxus damals. Das war sensationell. Ich spielte das letzte Spiel im Schalker Parkstadion. Das war viel schöner, als die Arena später. Das fühlt sich an wie eine Halle.


Gab es auch Stadien, die du gar nicht gemocht hast?
Das alte Rostocker Stadion war fies. Oder auch das alte Wedaustadion mit der Laufbahn. Im Olympiastadion in München habe ich auch nicht gerne gespielt, weil es immer auf die Mütze gab. Auf dem Betzenberg in Kaiserslautern war es auch echt schwierig. Das waren damals noch richtige rote Teufel. Das Stadion war schön, aber nicht angenehm für die Auswärtsmannschaften bei dem fanatischen Publikum. Es war ein Alptraum gegen Andy Buck zu spielen, der mit Ratinho eine überragende rechte Seite bildete.


Ich würde dir zum Abschluss gerne einige Namen ehemaliger Weggefährten nennen und dich darum bitten, aufgrund persönlicher Erfahrungen, etwas zu ihnen zu sagen:
- Heiko Herrlich: Sehr ruhiger und angenehmer Mensch und ein Top-Stürmer.


- Stefan Effenberg: In der Kabine ganz normal, einer von vielen. In der Außendarstellung sehr schillernd, aber kollegial. Mein Sitznachbar in der Kabine.


- Bachirou Salou: Einer meiner engsten Mitspieler, mit dem ich mir lange Zeit ein Zimmer teilte. Einer der schnellsten Spieler überhaupt, mit sehr schlechten Laktatwerten. „Laktat schießt keine Tore“, sagte er immer.


- Steffen Baumgart: Baumi ist super. Er ist heute noch genauso wie früher. Er verstellt sich auch überhaupt nicht, nur, weil er jetzt im Rampenlicht steht. Ganz ehrlicher Typ, den man mögen muss. Sensationell.


- Ludwig Kögl: Großer Spieler bei den Bayern. Konnte vieles von ihm lernen. Sehr kollegial. Auch noch im hohen Fußballeralter ein absoluter Vorzeigeprofi.
 

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