Besuche auch unsere Facebook-Seite mit vielen Bildern, Videos und Berichten von früher!

Interview mit Mike Rietpietsch

"...als Truppe hat es nicht funktioniert."

Mike Rietpietsch spielte in der Bundesliga für  Leverkusen, Freiburg, Bochum und Duisburg. Er hat uns erzählt, warum Leverkusen trotz einer tollen Mannschaft fast abgestiegen wäre, dass Christoph Daum nicht der eigentliche Vater des späteren Erfolges war und dass er selbst aufgrund seines Lebenswandels einiges liegen ließ.

Teilen

von Mario Gailing

Mike Rietpietsch, bevor wir uns mit der Vergangenheit beschäftigen, möchten wir gerne wissen was du im Anschluss an deine Karriere gemacht hast und heute beruflich machst?
Ich war 2010 beim Bonner SC in der Regionalliga Sportlicher Leiter. Leider musste der Verein Insolvenz anmelden, da der leider schon verstorbene damalige Mäzen Hans Viol die Kassen nicht mehr bedienen konnte. Danach war ich bei einer Ausrüster-Firma, die auf den Markt wollte. Im Anschluss habe ich in der Sportmarketing Agentur von meinem heutigen Partner Kay Hödtke in der Vermarktung gearbeitet. Später haben wir uns dann auf die Ausbildung von Kindern spezialisiert und die Fußballschule Kick`n Body gegründet, die wir noch heute führen. Aktuell haben wir eine Gesellschaft gegründet und wollen uns mit dem Produkt „Kick ID“, wo es um eine Art Leistungsdiagnostik und Tracken geht, vermehrt um die Verbesserung und Ausbildung unseres Nachwuchses kümmern. Es wird bei einem Spiel 5 gegen 5 mit einem Kamerasystem alles, wie der Erstkontakt mit und ohne Druck, Passen, Dribbeln, Schießen, Laufen, Zweikampf etc. gemessen und ausgewertet. Somit kann man danach gezielter an den Schwächen oder Stärken arbeiten. Spannendes Thema.

Kommen wir zu deiner Karriere. Bayer Leverkusen entdeckte dich als 19-Jährigen, als du beim damals noch drittklassigen FC Union Berlin unter Frank Pagelsdorf gespielt hast. Wie kam es 1994 zu dem Kontakt?
Wir spielten mit Union um den Aufstieg in die 2. Bundesliga. Nur leider war es die Zeit, als die Bürgschaften gefälscht wurden und Geld nicht wirklich da war. Zu der Zeit war Rainer Calmund bekanntlicherweise im „Osten“ ziemlich viel unterwegs, um einige Spieler zu Bayer zu holen. Calli wollte eigentlich einen anderen Spieler von Union sichten, nur habe ich dann wohl einen guten Tag gehabt. So kam es zu den Gesprächen und wir haben uns dann darauf geeinigt, wenn wir nicht aufsteigen, gehe ich zu Bayer. So kam es dann.


Du warst plötzlich Mannschaftskamerad von Stars wie Rudi Völler, Bernd Schuster oder Ulf Kirsten. Wie haben dich die alten Haudegen aufgenommen?
Es war für mich, bzw. uns junge Spieler etwas besonderes, denn man kannte die Jungs nur aus dem TV. Da war schon eine gehörige Portion Respekt vorhanden. Aber mit meiner „Berliner Schnauze“ kam ich ganz gut an und das Verhältnis zu allen war super.


Warst du auch in der Kabine so cool, wie man dich in der Öffentlichkeit wahrgenommen hat oder warst du da eher ehrfürchtig bei so großen Spielerpersönlichkeiten?
Ich hatte schon Respekt und die Bälle, Tore etc. tragen war unsere Aufgabe, sonst hat es schon mal geknallt. Aber auf dem Platz oder der Kabine haben auch wir Jungen unsere Sprüche losgelassen. Wir waren ja auch ein lustiger Haufen mit Zecke Neuendorf, Markus Kurth, Mario Tolkmitt usw.


Unter Trainer Dragoslav Stepanovic und seinem Nachfolger Erich Ribbeck hast du in der ersten Saison keine Rolle gespielt und hattest nur zwei Kurzeinsätze in der Bundesliga. Hattest du einen Plan B in Form einer Ausbildung in der Tasche, wenn es mit dem Profifußball nicht geklappt hätte?
Keine Chance in der ersten Saison will ich nicht sagen. Es war damals noch eine andere Zeit und wir mussten uns an den „Männerfußball“ gewöhnen oder langsamer ran geführt werden. Wir waren noch nicht so kompakt und fertig wie die Jungs heute. Mit 17 Champions League gab es damals nicht.

Stepanovic wirkte nach außen hin doch sehr eigen, um es vorsichtig auszudrücken. Wie hast du ihn als Menschen und Trainer kennengelernt? 
Stepi ist Stepi. Er war schon ein harter Knochen und die Jungen hatten es nicht immer einfach, aber als Mensch ist er ein ganz feiner Kerl und auch heute noch genauso wie damals. Lebbe geht weiter…


Im zweiten Jahr bei Bayer hattest du vor der Saison schon viele Einsätze im UI-Cup und warst am ersten Spieltag in der Startelf. Woran lag es, dass du danach erstmal wieder raus warst?
In dem Jahr haben wir jungen Spieler schon viel gespielt, obwohl die Mannschaft mit Stars bespickt war. Woran es dann lag, kann ich nicht mehr sagen. Vielleicht waren meine Trainingsleistungen nicht so, wie sie sein sollten.


Im Laufe der Saison hast du dich zurück ins Team gekämpft. Im letzten Saisonspiel ging es im legendären Abstiegsendspiel gegen Kaiserslautern. FCK-Torhüter Reinke konnte deinen Gewaltschuss nur abprallen lassen und Münch schoss zum Ausgleich ein, was die Rettung bedeutete. Gibt es nach solchen Spielen so etwas wie Mitleid mit den gegnerischen Spielern und Fans?

Das war mein erster und einziger Vollspannschuss. Ich war so überrascht, dass ich so viel Platz und Zeit hatte, dass ich einfach geschossen habe. Nein, Mitleid hat man nicht, denn es war auch für uns ein enormer Druck und so ist der Sport nun mal. Obwohl das legendäre Foto mit Brehme und Rudi Völler schon etwas besonderes war.


Weißt du, was ich damit meine, wenn ich sage, dass dieses Tor in dieser Situation so nicht hätte fallen dürfen ;-)?
Ja, eigentlich gehörte der Ball Richtung Kaiserslautern. Nur Rudi spielte weiter und der Ball landete dann bei mir. Und wie gesagt, dann habe ich einfach geschossen.


Wie wurde der Nichtabstieg damals gefeiert? 
Wie eine Meisterschaft. Glaube ich zumindest, ich wurde ja nie Meister.


Woran lag es deiner Meinung nach, dass ihr mit dieser Mannschaft überhaupt in den Abstiegskampf musstet? Mit solchen Spielern hat man euch eigentlich im vorderen Drittel der Tabelle erwartet.
Ja, wie schon gesagt, es waren unfassbar viele Stars in der Truppe und keiner hat damit gerechnet, dass wir überhaupt da unten reinrutschen könnten. Super Einzelspieler, aber als Truppe hat es nicht funktioniert. Es kamen viele Dinge zusammen und so ging es stetig weiter runter. Wir konnten mit dem Druck nicht umgehen und die untenstehenden Mannschaften bekamen ihre zweite Luft. So kam es dann schließlich zum Showdown.


Nach dieser miserablen Saison kam Christoph Daum, der die Mannschaft beinahe zur deutschen Meisterschaft geführt hatte. Was machte Daum so erfolgreich?
Das ist ja das kuriose, eigentlich war es die gleiche Truppe. Daum baute auf die alten Jungs wie Peter Lehnhoff, den er aus Köln kannte. Und es lief von Beginn an. Mit den Jungen hatte er nicht ganz so viel am Hut. Der ganze Part ging eigentlich an Roland Koch, seinen Assi zu der Zeit. Eines konnte Daum jedoch, er konnte motivieren.


Unter Daum warst du raus. Hat er dir erklärt, warum du plötzlich nicht mehr gespielt hast?
Das hatte sich so ergeben. Er kannte Peter aus Köln und gab ihm den Vortritt und er zahlte es mit einer super Saison zurück. Wenn’s läuft, bist du halt draußen….


Bei Bundesliga-Absteiger Fortuna Düsseldorf hast du dann einen Neuanfang gewagt und warst auf Anhieb Stammspieler. Trotzdem bist du nach der Saison zum Bundesliga-Aufsteiger SC Freiburg gewechselt, wo du wieder nur Ergänzungsspieler warst. Würdest du diesen Wechsel mit deinem heutigen Wissen wieder so machen?
Ich würde nur einen Wechsel anders oder gar nicht machen und zwar von Bayer wegzugehen. Meine damalige Zusage an Fortuna in Person von Frank Mill war noch zu Zeiten der 1. Bundesliga. Daum wollte mich unbedingt behalten, da er wusste das Peter Lehnhoff in die Jahre gekommen war. Der Vertrag bei Fortuna war noch nicht unterschrieben, aber ich hatte mein Wort gegeben und stand dazu. Leider stieg Fortuna dann noch ab und Leverkusen spielte die besten Jahre in der Vereinsgeschichte.


Im Anschluss hast du noch in der Bundesliga und 2. Bundesliga für Bochum, Duisburg und Oberhausen gespielt. Wo hat es dir im Nachhinein, unabhängig vom Erfolg, am besten gefallen?
Gefallen hat es mir überall, da die Fans und Mitarbeiter in allen Vereinen sensationell waren. Ich kam mit meiner Art auch bei allen gut an. Aufgrund der Zeit, Spiele und Erfolge war RWO aber schon die beste Zeit.


Du hattest den Ruf des Lebemannes. Glaubst du, dass darunter deine Karriere gelitten hat?
Natürlich habe ich viel liegen lassen. Ulf Kirsten sagte damals, als ich zu Bayer kam, zu mir, wenn du nicht Nationalspieler wirst dann weiß ich es auch nicht. Ich war halt wie ich war. Es gab trotzdem ein Leben, wir waren jung und da musste man auch mal feiern gehen. Ich habe meine Jugend definitiv nicht verschenkt. Wir hatten auch das Glück, dass es keine Fotohandys gab. Heute möchte ich nicht mehr tauschen mit den Jungs.


Welche ehemaligen Mitspieler würdest du als die größten Partylöwen bezeichnen?
Ach du Schande. Ich glaube, da könnte ich ein Buch schreiben. Aber wie sagt man so schön: Was auf Malle war, bleibt auf Malle. Es waren bei den Veranstaltungen meist die gleichen immer bis zum Schluss.


In welchen Bundesliga-Stadien hast du am liebsten gespielt und gab es Stadien, die du nicht mochtest?
Zu meiner Zeit waren die wenigsten schon Arenen und die Aschenbahnen machten die Stadien nicht wirklich sexy. Dortmund war natürlich immer der Knaller, später Schalke oder auch Düsseldorf. Damals mit 5000 Zuschauern im Fortuna Rhein Energie Stadion war nicht so der Brüller.
 

Welcher deiner Trainer hat am meisten Eindruck hinterlassen? 
Jeder hatte so seine Eigenarten und es waren auch einige Größen dabei. Pagelsdorf bei Union hat mich sehr positiv geprägt und Ernst Middendorp bei Bochum war der Trainer, der nie schlief. Egal wo man war, er war immer da oder man hatte das Gefühl, dass er alles hört.

Gab es Gegenspieler, denen du auf dem Platz nicht gerne begegnet bist? 
Auch da gab es viele und es waren meistens die Manndecker oder Zerstörer, die einem das Leben schwer gemacht haben. Christian Beeck, der inzwischen einer meiner besten Freunde geworden ist, war so einer. Man dachte, man sei schon vorbei und dann kam die lange Krake von hinten und die Kugel war weg.

Zum Abschluss würde ich dir gerne einige Namen ehemaliger Weggefährten nennen und dich darum bitten, aufgrund persönlicher Erfahrungen etwas zu ihnen zu sagen:
Bernd Schuster:
Sehr zurückhaltend. Als Spieler, aber auch als Mensch ein super Typ.
 
Rudi Völler:
Ähnlich wie ich, nur mit viel mehr Erfolg. Ein geiler Typ. Immer geradeaus und er konnte auch feiern. Heute wie damals sehr bodenständig.
 
Jürgen Kohler:
Als Spieler sehr erfolgreich, als Trainer wurden wir keine Freunde.
 
Erich Ribbeck:
Als ich ihn als Trainer bei Bayer hatte, war er nicht mehr der Jüngste und war ein sehr entspannter Mensch. Mit ihm konnte man immer reden, denn seine Erfahrung war immens.
 

Volker Finke:
Oh je, Oberlehrer. Freunde wurden wir in Freiburg nicht wirklich, um so mehr hat es mich überrascht, dass er mich nach Köln holen wollte, als er dort war. Ich hatte aber schon in Bochum zugesagt. Da haben wir alles aus der Welt geräumt, was damals nicht passte. Ich schätze ihn sehr als Mensch und als Trainer.

Share by: