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Interview mit Klaus Eder

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„Klaus, ohne dich hätte ich das nicht geschafft!“ 
Klaus Eder war exakt 30 Jahre der Physiotherapeut der deutschen Nationalmannschaft. Acht Europameisterschaften und sieben Weltmeisterschaften hat er hautnah miterlebt. Dementsprechend viel hatte er uns zu erzählen.
von Nico Petrowsky
Klaus Eder, Sie waren bei acht Europameisterschaften und sieben Weltmeisterschaften als Physiotherapeut der deutschen Nationalmannschaft dabei. Was sind die grundlegendsten Veränderungen Ihrer Arbeit und Arbeitsausstattung in den ganzen Jahren gewesen?
Grundlegend war es in den letzten 30 Jahren so, dass am Anfang die Massage bei der Behandlung im Vordergrund stand. Nach Einzug der manuellen Therapie und der Osteopathie hat sich das Behandlungsspektrum genauso verändert, wie auch das Anforderungsprofil an den Fußballspieler. Das bedeutet ca. alle sechs Sekunden ein Richtungswechsel und damit eine hohe Belastung auf das gesamte muskulo-skelettale System. Dementsprechend hat sich auch die gesamte sportphysiotherapeutische Behandlung verändert. Infolgedessen wäre es unzureichend nur den Rücken und die Beine zu massieren. Man muss die Holistik, den ganzheitlichen Körper betrachten. Also nicht nur da behandeln, wo es weh tut, sondern auch den Einfluss benachbarter Gelenke und innerer Organe testen und gegebenenfalls nach Rücksprache mit dem Mannschaftsarzt behandeln und somit die ganzheitliche Mobilität des Spielers wieder herzustellen. Im Großen und Ganzen hat sich also geändert, dass die Spieler sich früher gerne zur Massage begeben haben, was auch ok war. Aber weil sich das Anforderungsprofil wesentlich geändert hat, hat der Einzug der manuellen Medizin und der Osteopathie die normale Massage nicht völlig abgelöst, aber zum größten Teil ersetzt.

Wie hat sich der allgemeine Fußballprofi in den letzten 30 Jahren in seinem Auftreten verändert?
Also eigentlich ist der Fußballprofi vom normalen Fußballbolzer zum Gentleman avanciert. Die Spieler sind heute sehr anspruchsvoll geworden, aber auch vom Verhalten her und im sozialen Umgang sehr verträglich. Das heißt nicht, dass sie früher Rüpel waren. Aber früher stand die Hierarchie der Spieler noch im Vordergrund. Es hätte sich also niemand getraut sich auf eine Massagebank zu legen bevor z.B. Klaus Augenthaler oder Lothar Matthäus nicht ihre Behandlung abgeschlossen hätten. Heute gibt es diese ganzen sogenannten Heros nicht mehr, sondern das Teambuilding und der Teamgeist stehen im Vordergrund. So kann auch ein junger Spieler sich behandeln lassen, ohne dass er von einem älteren Spieler getadelt wird. Auch das Naturell der Spieler hat sich verändert. Das sind alles Nichtraucher und Nichttrinker. Die Spieler wissen genau was ihr Körper wert ist. Heute haben auch fast alle Spieler Abitur. Das soll jetzt bitte kein Maßstab oder eine persönliche Charakterisierung sein, aber man sieht, dass eine ganz andere Generation von Spielern herangewachsen ist.

Sie behandelten viele der größten Stars des deutschen Fußballs. Haben sich sogar Freundschaften entwickelt?  
Nicht zu viele, aber ein paar Freundschaften haben sich natürlich entwickelt, die auch bis heute anhalten. Mit dem Wort Freundschaft wird häufig inflationär umgegangen, aber z. B. zu Klaus Augenthaler oder Hansi Dorfner, sowie auch zur jüngeren Generation, wie z.B. zu Miroslav Klose oder Per Mertesacker, pflege ich noch immer einen lockeren Kontakt. 

Mit welchem Trainer hat Ihnen die Zusammenarbeit am meisten Spaß gemacht?
Es hat im Großen und Ganzen mit allen Trainern Spaß gemacht. Natürlich war es mit solchen Lichtgestalten wie Franz Beckenbauer oder Jogi Löw besonders schön zu Arbeiten.

Gab es Spieler, die Sie nicht mochten oder zu denen Sie keinen Draht hatten?
Das liegt glaube ich in der Natur der Sache, dass einem ein Spieler sympathischer ist als der andere. Das hat aber nichts damit zu tun, dass man Unterschiede in der Behandlung gemacht hat. Man hat die Spieler so genommen wie sie sind. Wir sind für die Spieler da und die Spieler nicht für uns. Man sollte sich als Physiotherapeut nicht zu wichtig nehmen, sondern man muss die Probleme im Auge haben und nicht den persönlichen Charakter.

Können Sie sich an Ihren ersten Profifußballer erinnern, den Sie behandelt haben?
Ich weiß nicht mehr genau, es war entweder Stèphane Demol oder Hansi Dorfner. Einer von den Beiden, oder ich glaube sie waren Beide gleichzeitig da. Das war Anfang der 80er Jahre.

Viele Fußballfans sind Fußballromantiker und wünschen sich die „guten alten Zeiten“ zurück. Waren die alten Zeiten so viel besser oder glorifiziert man diese einfach?
Ich glaube das wird glorifiziert. Das Fußballspielen hat sich dermaßen athletisch entwickelt, dass es einfach eine Augenweide ist ein gutes Spiel anzuschauen. Wenn man sich vorstellt, als 1963 die Bundesliga gegründet worden ist, hat ein Mittelfeldstürmer, wie z. B. Rudi Brunnenmeier damals vom TSV 1860 München, 1.000 Meter pro Spiel zurückgelegt. Miroslav Klose hat 2006 15.000 Meter zurückgelegt. Also man sieht schon, dass das Spiel wesentlich schneller, attraktiver und athletischer geworden ist. Es gibt viel mehr Strafraumszenen und unheimlich viel Spielwitz. Also ich finde den modernen Fußball absolut sehenswert und möchte nicht in die alte Zeit, in der ein Standfußball stattgefunden hat, zurückkehren.

Gibt es Spiele oder Szenen von früher, die Ihnen immer noch besonders gut im Gedächtnis sind?
Ja sicherlich. Ich denke z.B. an das Achtelfinale der WM 1990 gegen Holland, als Jan Wouters fünf Meter vor dem leeren deutschen Tor stehend den Ball über die Latte geschossen hat. Hätte er den Ball ins Netz gejagt, wären wir nach Hause gefahren und so sind wir Weltmeister geworden. Diese Szene sehe ich noch vor mir, als wäre es gestern gewesen und da ist mir damals ein großer Stein vom Herzen gefallen.

Uli Hoeneß drohte 1999 damit, dass keine Bayern-Spieler mehr zu Ihnen in Behandlung geschickt werden, weil Mario Basler und Sven Scheuer im Rahmen eines Reha-Aufenthalts bei Ihnen in eine nächtliche Schlägerei verwickelt wurden, woraufhin beide suspendiert wurden. Wie haben Sie dieses Problem mit Uli Hoeneß geklärt?
Uli Hoeneß hatte andere Dinge zu tun, als mit mir über dieses Problem zu reden. Zumal er ja auch wusste, dass die Rehabilitation von Mario Basler bereits am Freitag zuvor beendet war. Das hat uns auch gegenüber den Kostenträgern gerettet, weil Mario Basler nicht mehr bei uns in der Reha war. Er war somit ein normaler Tourist in Regensburg und wurde dabei in eine Schlägerei verwickelt. Das hatte mit der Reha nichts zu tun, auch wenn die Boulevardpresse das anders gesehen hat. Für den FC Bayern und Uli Hoeneß war es vielleicht gut, um sich von diesen Spielern zu trennen.

Die Fanszene hat sich stark verändert. Ultras machen wunderschöne Choreographien, aber mich persönlich stört der Dauergesang ohne Bezug zum Spielgeschehen. Früher wurden Mannschaften spielbezogen nach vorne geschrien. Der langjährige FCK-Spieler Michael Dusek nannte die aktuelle Stimmung im Stadion in unserem Interview gar Bullshit. Auch Marcel Reif und Ulli Potofski äußerten sich mir gegenüber ähnlich. Welche Art der Unterstützung bevorzugen Sie?
Naja, ich war ja früher aktiver Eishockeyspieler und da war es mir wesentlich lieber wenn die Torraumszenen lautstark vom Publikum unterstütz wurden . Wahrscheinlich holen die Fans heute das nach was Ihnen während der Woche verwehrt bleibt. Um die fehlende Aufmerksamkeit zu kompensieren nutzen Sie das Stadium als breite Plattform um sich medial in Szene zu setzen. Aber ich finde es persönlich auch völlig übertrieben und man kann es auf die Dauer eben nicht mehr hören.

Sie haben so viele große Persönlichkeiten des Fußballs kennengelernt. Gibt es Geschichten, an die Sie sich besonders gerne zurückerinnern?
Ja da gibt es jede Menge, aber eine Sache hat mich wirklich tief berührt: Als wir 1996 Europameister geworden sind und Matthias Sammer aus der Hand von Queen Elizabeth die Goldmedaille überreicht bekommen hat und er unmittelbar mir diese Medaille um den Hals gehängt hat, mit dem Kommentar: „Klaus, ohne dich hätte ich das nicht geschafft, vielen Dank!“ Also das war schon eine Situation, die man in seinem Leben nicht so schnell wieder vergisst.

Wer waren unter Spielern und Trainern die größten Partytiere der einzelnen Nationalmannschaftsgenerationen?
Da kann ich eigentlich wenig zu beitragen. Wenn der Spieler meinen Behandlungsraum verlassen hat, dann war das auch für mich gegessen. Ich persönlich bin nie mit den Spielern nachts durch die Gassen gezogen oder auf irgendwelchen Partys gewesen. Das gebietet eigentlich schon der Respekt, dass man sich als Physiotherapeut ein bisschen zurücknimmt.

Sie waren 1990, 1996 und 2014 bei drei Titeln anwesend. Wie wurde im direkten Anschluss an diese Endspiele gefeiert? Hat sich auch an der Art und Weise der internen Feierlichkeiten etwas verändert?
1990 und 1996 war man natürlich über die sozialen Medien nicht so präsent wie 2014. 1990 feierte die Mannschaft ausschließlich mit den Spielerfrauen, den Betreuern, und den Mitarbeitern aus dem Sekretariat des Deutschen Fußball Bundes. Das war eine mehr oder weniger geschlossene Veranstaltung und dementsprechend ausgelassen war natürlich auch die Feier. 2014 waren wir natürlich auch „happy“ und überglücklich Weltmeister zu sein, aber durch die permanente Gegenwart der Smartphones fühlten sich natürlich die Spieler unter Beobachtung und in Folge dessen wurde zurückhaltender gefeiert. So haben sich die Zeiten eben verändert. Die Spieler können sich in der Öffentlichkeit ja gar nicht mehr so viel erlauben wie z.B. 1990, wobei 1990 auch alles im Rahmen geblieben ist.

Auch Niederlagen gehören dazu. Wie ist der Ablauf nach Finalniederlagen? Sitzt man trotzdem zusammen oder löst sich das schnell auf?
Nein, ich denke auch noch mit großer Freude an die Vizeweltmeisterschaftsfeier in Tokio. Das war sensationell. Auch hier wurde richtig gefeiert mit Bundeskanzler Gerhard Schröder und seiner Frau Doris. Das war eine richtig tolle Feier mit Polonaise durch den Saal und allem Drum und Dran. Natürlich ist man im ersten Moment deprimiert, wenn man verliert und als zweiter Sieger vom Platz geht. Das ist nie so schön. Aber nachdem die erste Depression überstanden war und man sowieso nicht damit gerechnet hat, mit dieser Mannschaft ins Finale zu kommen waren wir letztendlich alle überglücklich und dementsprechend in Feierlaune.

Zum Abschluss würde ich gerne ein paar Namen nennen und Sie darum bitten in aller Kürze aufgrund ganz persönlicher Erfahrungen zu beschreiben, was Ihnen zu den Personen als Erstes einfällt.
Franz Beckenbauer: Einfach kaiserlich, so wie er immer beschrieben wird. Auf dem Platz als auch neben dem Platz. Als Trainer, als Verantwortlicher für die Nationalmannschaft und auch dem Team gegenüber, einfach weltmeisterlich.

Uli Hoeneß: Ein absoluter Segen für den FC Bayern, aber auch für den deutschen Fußball.

Lothar Matthäus: Unglaublicher Mittelfeldstratege, der sein Herz am rechten Fleck hat.

Jürgen Klinsmann: Ein Mann mit zwei Gesichtern.

Sepp Maier: Liebenswerter, sportlicher Entertainer.

Stefan Effenberg: No Comment.

Berti Vogts: Nicht nur Fußballexperte, sondern auch genauso gut Wein-Experte. Er könnte auch Sommelier sein.

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