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Interview mit Rainer Adrion

"Jürgen Sundermann konnte jeden Spieler zu außergewöhnlichen Leistungen pushen."

Rainer Adrion spielte unter anderem für den VfB Stuttgart. Einen Namen machte er sich als Trainer. Als Co-Trainer von Jogi Löw holte er 1997 den DFB-Pokal.

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von Mario Gailing


Rainer Adrion, bevor wir uns mit der Vergangenheit befassen. Was machen Sie heute beruflich?
Ich bin seit 2016 nach 47 Jahren besonders langjähriger Versicherter im verdienten Ruhestand. Seit März 2020 bin ich ehrenamtlich in den Aufsichtsrat des VfB Stuttgart berufen worden.


Sie waren fast 27 Jahre alt, als Sie ihr erstes Spiel im Profifußball absolvierten. Wie kam es zu diesem späten Einstieg?
Ich war immer in den höchsten Amateurklassen ein guter Spieler, der gerne Verantwortung übernommen hat. Auch dann bei den Amateuren des VfB Stuttgart. Dort hat mich Jürgen Sundermann dann spät zum Profi befördert.


Haben Sie vorher schon hauptberuflich Fußball gespielt oder hatten Sie nebenbei einen „richtigen“ Job?
Vorher habe ich bei Daimler Benz gearbeitet und anschließend ein Betriebswirtschaftsstudium absolviert. Zufälligerweise war ich gerade damit fertig, als die Chance zum Fußballprofi kam und ich diese angenommen habe.


Können Sie sich an die Höhe Ihres ersten Profigehalts beim VfB erinnern?
Daran kann ich mich nicht genau erinnern, aber es war vom Grundgehalt her nicht so viel, da ich von den eigenen Amateuren gekommen bin.


Nachdem Sie in Ihrer ersten Saison 1980/1981 als Profi nur zwei Spiele machten, folgten im Jahr darauf ganze 20 Spiele. Wieso gingen Sie dennoch zurück in den Amateurbereich und schlossen sich der SpVgg Unterhaching in der Amateur-Oberliga an?
Mit dem Trainerwechsel von Jürgen Sundermann zu Helmut Benthaus kam ein neues Konzept und ich ging zur SpVgg Unterhaching als Führungsspieler in die Bayernliga. Ich war 29 und wollte außerhalb Stuttgarts nochmal eine Herausforderung als Fußballer suchen, da kam das Unterhachinger Angebot gerade recht. Die hatten sich sehr um mich bemüht und große Ambitionen aufzusteigen. Wir trainierten auch dort unter Profibedingungen.


Gibt es bestimmte Spiele oder Szenen, an die Sie sich besonders gerne zurückerinnern?
Ja, im negativen war es das Eigentor in Co-Produktion mit Erwin Hadewicz gegen den 1. FC Nürnberg. Wir verloren dadurch mit 2:1 in der 89. Minute. Ich gebe zu, es war mehr meine Übereifrigkeit, ich nehme die Schuld auf mich. Im positiven erinnere ich mich gerne an den Testspielsieg gegen die französische Nationalmannschaft. Ich war überraschend als Innenverteidiger nominiert worden und wir gewannen im fast ausverkauften Prinzenpark Stadion mit 3:1.


Gab es Mitspieler, die Sie beeindruckt haben?
Wir hatten eine tolle Mannschaft mit vielen Persönlichkeiten. Ein großer Teil aus der eigenen Jugend wie Karl-Heinz und Bernd Förster, Karl Allgöwer, Günther Schäfer, Bernd Martin, Hansi Müller, Peter Reichert, Helmut Roleder. Hermann Ohlicher ist aus Ravensburg gekommen, Dieter Müller von Köln. Aber auch einige wenige internationale Stars wie Didier Six, Alexander Szatmari oder mit österreichischem Schmäh, Roland Hattenberger.


Hatten Sie ein Vorbild auf dem Fußballplatz?
Fußballerisch eigentlich nicht. Ich war ein Allrounder, vom Mittelstürmer umgeschult zum Innenverteidiger. Von der Einstellung zum Beruf gab es einige.


Ihr Trainer beim VfB war damals Jürgen Sundermann, der als absoluter Motivator galt. Wie haben Sie ihn als Trainer erlebt? 
Der Trainer war damals die Person zu der man als Spieler aufgeschaut hat und der man vertraut hat. Jürgen Sundermann konnte jeden Spieler mit seiner Art der Motivation und Ansprache zu außergewöhnlichen Leistungen pushen. Das hat gerade bei jungen Spielern oder Neuprofis, wie ich einer war, sehr gut funktioniert.


Sie standen selbst quasi übergangslos an der Außenlinie und hatten in den ersten Jahren mehrere Trainerstellen im oberen Amateur-, bzw. Halbprofibereich. Betrieben Sie diese Trainerjobs hauptberuflich?
Egal ob FV Zuffenhausen, SpVgg 07 Ludwigsburg, sowieso bei der SpVgg Unterhaching konnte ich mich immer voll auf den Trainerjob konzentrieren. Das Fieber hatte mich gepackt und mit der Ausbildung zum DFB Fußball-Lehrer habe ich mich auch bewusst für die Trainerkarriere und den Trainerberuf entschieden.


1996 wurden Sie Co-Trainer von Joachim Löw beim VfB Stuttgart. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande?
Ich war Trainer der zweiten Mannschaft beim VfB und Joachim Löw war Co-Trainer bei Rolf Fringer. Nach der Saisonvorbereitung, die nicht optimal verlief, bestellte uns Gerhard Mayer-Vorfelder am Mittwochmittag in sein Büro und teilte uns die Entlassung von Fringer mit. Wir beide sollten die Mannschaft auf das Bundesligaspiel am darauffolgenden Samstag gegen Schalke 04 als Übergangslösung vorbereiten. MV war zuversichtlich, dass man bis zum nächsten Spiel ein neues Trainerteam für die erste Mannschaft gefunden hat. Wir gewannen gegen Schalke in einem begeisternden Spiel 4:0. Die Verhandlungen verzögerten sich. Wir gewannen beim KSC 2:0. Die Verhandlungen zerschlugen sich. Wir gewannen gegen Bremen 2:1, in Hamburg 4:0, gegen Köln 4:0, spielten in Dortmund 1:1. Als Tabellenzweiter mit einem Punkt hinter Bayern bekamen wir beide einen Zwei-Jahresvertrag.


Nur ein Jahr später gewannen Sie mit dem DFB-Pokal Ihren ersten Titel im Profibereich. Wie hat das Trainerteam diesen Erfolg gefeiert?
Das war eine schöne Partynacht im Hotel. Ich glaube alle Beteiligten, auch die Spieler, die später internationale Stars wurden, werden sich, wie ich, noch gut daran erinnern können.


Nachdem der VfB Stuttgart in der Saison 98/99 eine weniger erfolgreiche Hinrunde gespielt hat, machte man Sie im Januar 1999 zum Cheftrainer. Nach nur 10 Spielen wurde mit Ralf Rangnick Ihr Nachfolger geholt. Glauben Sie, dass Sie den Abstieg auch verhindert hätten?
Ralf Rangnick war schon als Trainer für die neue Saison verpflichtet und nach seinem Abschied aus Ulm bereits zum Ende der alten Saison frei. Ich glaube, dass der Wechsel unter den damaligen Umständen richtig war.


Rangnick konnte das Ruder auch nicht rumreißen und es wurde erst am letzten Spieltag mit einem 1:0 über Werder Bremen der Nichtabstieg perfekt gemacht. Was glauben Sie wo damals die Probleme lagen? Mit Bobic, Berthold, Balakov und Co. war die Mannschaft namentlich qualitativ gut und erfahren zusammengestellt.
Wir hatten eine super Mannschaft, aber von Anfang an eine unruhige Saison, da kann man schon mal in einen Abwärtsstrudel hinein kommen. Ralf hat es geschafft und darauf aufgebaut.


Gibt es Dinge, die Sie heute in Ihrer Karriere als Spieler und Trainer anders machen würden?
Es gibt immer Kreuzungen im Leben und in der beruflichen Karriere, die anders hätten laufen können. Ich bereue nichts und ich habe immer mein Bestes gegeben.


Ich würde Ihnen gerne einige Namen nennen und Sie darum bitten, aufgrund persönlicher Erfahrungen etwas zu ihnen zu sagen:
Joachim Löw:
Guter Freund, hat aus seiner Karriere das Optimale gemacht.
Hansi Müller: Immer noch Golfpartner von mir, wir kennen und schätzen uns seit 40 Jahren.
Karl-Heinz Förster: Habe ebenfalls noch Kontakt zu ihm, und begleite seine Aktivitäten als    Spielerberater.
Giovane Elber: Großartiger Mensch und genialer Stürmer.
Fredi Bobic: Habe gerne mit ihm zusammengearbeitet als Spieler und Manager. Er ist offen und ehrlich. Bei ihm weiß man immer woran man ist.


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