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Interview mit Siggi Held

"Rehhagel hielt tolle Ansprachen..."

Siggi Held wurde 1966 mit dem BVB Europapokalsieger der Pokalsieger und stand im selben Jahr in Wembley für Deutschland auf dem Feld. Mit uns hat er über das Wembley-Tor und viele andere negative, aber auch positive Erinnerungen gesprochen.


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von Nico Petrowsky


Siggi Held, bevor wir uns mit der Vergangenheit beschäftigen, möchten wir gerne wissen, was Sie nach Ihrer Karriere im Fußballgeschäft gemacht haben.

Nach meiner Karriere als Fußballprofi und Trainer, war ich für Borussia Dortmund in der Fanbetreuung tätig.


Kickers Offenbach war Ihre erste Station als Vertragsfußballer. Können Sie sich noch daran erinnern, wie Sie mit ihrem ersten Profigehalt umgegangen sind?

Das kann ich gar nicht mehr genau sagen. Das Gehalt war auch nicht so riesig. Ich hatte davor und auch nebenbei noch gearbeitet und mein erstes Gehalt bei den Kickers war dann eher ein Zubrot. Zunächst war ich in dieser Zeit noch bei der Bundeswehr. Dann habe ich noch im Steuerbüro gelernt.


Nach zwei Jahren gingen Sie zu Borussia Dortmund, wo Sie zum Star wurden. Mit Stan Libuda und Lothar Emmerich bildeten Sie eine Offensive, die auch im Ausland gefürchtet war. Am Ende Ihrer ersten Saison beim BVB stand der Gewinn des Europapokals der Pokalsieger. Welche Erinnerungen haben Sie an diesen Triumph?

Das war natürlich eine sehr schöne Zeit und der Sieg im Europapokal war ein absolutes Highlight. Ich bin von den Kickers Offenbach über die Regionalliga Süd und die Zweite Bundesliga in die große weite Welt des Fußballs gekommen und wurde sogar Nationalspieler. Da ging für mich ein Traum in Erfüllung.


Nachdem Sie dieses legendäre Finale in Glasgow gegen das Weltklasseteam aus Liverpool sensationell gewonnen haben, setzte es danach an den letzten drei Bundesligaspielen Niederlagen und die Meisterschaft wurde noch verloren. Wurde der Europapokal zu heftig gefeiert oder woran lag das?

Nein, wir haben nicht zu heftig gefeiert. Dazwischen hatten wir auch noch Urlaub. Im Nachhinein ist das schwierig zu beurteilen. Es haben verschiedene Dinge einfach nicht mehr so 100-prozentig gepasst.


Im gleichen Jahr fand auch die WM ´66 in England statt, die mit dem Wembley-Tor im Finale für Sie und Deutschland endete. 93.000 Zuschauer sahen diese Schlacht im Stadion. Erzählen Sie uns doch aus Ihrer Sicht von diesem Spiel und dem Wembley-Tor.

Wir haben natürlich heftig protestiert, auch wenn wir es selbst nicht genau gesehen haben. Ich war weit weg vom Geschehen, aber natürlich war man da ein wenig egoistisch und ich habe selbst beim Linienrichter protestiert und gesagt, dass es kein Tor war. Im Endeffekt hat es aber ja nichts genützt und am Ende war das verlorene Finale eine riesige Enttäuschung. Mit der heutigen Torlinientechnik wäre das vermutlich nicht passiert.


Bei der WM in Mexiko 1970 waren Sie auch dabei. Im sogenannten Jahrhundertspiel gegen Italien im Viertelfinale verlor Deutschland nach Verlängerung 3:4. Kann man sagen, dass diese drei außergewöhnlichen Spiele auch für Sie persönlich Ihre Top 3 bilden?
Das waren zumindest sehr spannende Spiele. Am besten ist es aber natürlich immer dann, wenn man gewinnt.


Ihr ehemaliger Mitspieler, der großartige Stan Libuda, galt als introvertiert und starb verarmt im Alter von nur 52 Jahren. Wie haben Sie ihn als Mannschaftskameraden kennengelernt?

Er war ein wenig verschlossen, hat aber in Dortmund trotzdem die Verteidiger immer schwindelig gespielt. Damals ging man auch noch rustikaler zur Sache. Heute bekommt man ja gleich die gelbe oder rote Karte. Das war damals noch nicht der Fall, da konnte noch kräftig zugelangt werden und es war dann vielleicht ein Foul, aber auch nicht mehr. Für die Abwehrspieler war es da noch etwas einfacher. Aber Stan Libuda war toll am Ball, ein sehr guter Dribbler.


Warum wechselten Sie 1971 zurück nach Offenbach, das gerade in die zweite Liga abgestiegen ist? Beim BVB waren Sie Stammspieler eines Bundesligisten.

Es stand eine Vertragsverlängerung an und ich hatte das Gefühl, es wurde nicht so viel Wert darauf gelegt mit mir weiterzumachen. Man sagte damals, man hätte eine Menge Talente aus dem Sauerland. Es gab nicht so den Drang dazu, mit mir zu verlängern und man ist sich in dem Fall dann einfach nicht einig geworden.


Sie verzichteten auf die Europameisterschaft 1972, damit Sie mit den Kickers Offenbach die Aufstiegsspiele spielen konnten. Sie könnten sich heute Europameister nennen. Haben Sie diese Entscheidung gegen die Nationalelf je bereut?

Nein, es war einfach so, dass in dieser Zeit die Aufstiegsspiele waren. Das lief glaube ich parallel. Es war zwar schade, aber man konnte es nicht ändern. So etwas würde heute nicht mehr passieren, da wären solche Spiele wesentlich besser abgestimmt. Es war vielleicht ein Fehler in der Planung von oben, dass man sich nicht vorstellen konnte, dass auch Zweitligaspieler für die Europameisterschaft interessant sind.


Die WM in Deutschland 1974 verpassten Sie knapp, nachdem Sie Bundestrainer Helmut Schön aus dem vorläufigen Kader strich. Wie groß war Ihre Enttäuschung im Nachhinein, dass Ihnen nach dem Europameistertitel auch der Weltmeistertitel verwehrt blieb?

Das war schon eine Enttäuschung. Eine WM ist natürlich immer ein Highlight, aber es war nun mal so und man konnte es nicht ändern.


Mit Offenbach spielten Sie nach dem Wiederaufstieg noch einige Jahre in der Bundesliga, ehe Sie erneut nach Dortmund wechselten und zwei Jahre später Ihre letzte Station bei Bayer Uerdingen antraten. Sie gingen nahtlos über zu Ihrer ersten Trainerstation beim FC Schalke. Wie kam es zu dem Kontakt?

Manager von Schalke war Rudi Assauer, ein ehemaliger Mannschaftskamerad von mir. Er rief mich an und fragte, ob ich nicht Interesse hätte. Ich war zu dem Zeitpunkt auch schon fast 39 und irgendwann muss man auch mal aufhören. Das war dann ein günstiger Einstieg als Trainer.


Wie wurden Sie als BVB-Held beim großen Rivalen auf Schalke von den Fans aufgenommen?

Das war eigentlich völlig wertfrei. Schalke war abgestiegen und es ging in der Zweiten Liga eben darum, wieder aufzusteigen. Ich habe da keinen Gegenwind gespürt. Ich habe mich mit so etwas aber auch nicht beschäftigt, sondern auf die Aufgabe konzentriert. Das hat letztendlich dann auch geklappt.


Mit Schalke schafften Sie auch gleich in Ihrer ersten Saison als Trainer den Aufstieg in die Bundesliga. Wie enttäuschend war es für Sie, dass Sie Rudi Assauer schon vor der Rückrunde der kommenden Saison entlassen hat?

Das ist im Trainergeschäft so. Man hat damals von allen möglichen Leuten und Zugängen gesprochen, die sich nicht realisieren ließen. Als Aufsteiger hat man es sowieso immer schwer und man muss dann mit so einer Entscheidung auch fertig werden. Auch wenn es eine riesige Enttäuschung war.


Rudi Assauer war, wie Sie schon sagten, Ihr Mitspieler beim BVB. Er galt in der Öffentlichkeit als Machtmensch und Macho. Wie war Ihr Verhältnis zu ihm?

Ich kannte ihn als Spieler und da hatte man natürlich ein anderes Verhältnis. Machtmensch würde ich auch nicht unbedingt sagen. Es war vielleicht ein Fehler mich zu entlassen, aber das kann man im Nachhinein auch schwer beurteilen. Ich hatte vorher aber eigentlich immer ein gutes Verhältnis mit ihm.


Obwohl Sie so erfolgreich in Ihre Trainerkarriere starteten, kam es vorerst nicht zu weiteren Jobs in der Bundesliga. Erst Jahre später wurden Sie Nationaltrainer in Island. Woran lag es Ihrer Meinung nach, dass Sie vorerst nicht mehr in der Bundesliga untergekommen sind?

Schwer zu sagen. Vielleicht war es ein Problem, dass ich noch keinen Manager hatte, was heute gang und gäbe ist. Also jemand, der sich mit umgeschaut hat. Ich war im Prinzip auch noch Neuling, vielleicht war damals Erfahrung noch mehr gefragt.


Als es Sie zurück in den Vereinsfußball zog, heuerten Sie bei Galatasaray Istanbul an, dessen Fans als besonders emotional gelten. Wie gefiel es Ihnen persönlich in der Türkei, wo deutsche Fußballer und Trainer noch die Ausnahme waren?

Auslandsjobs sind immer sehr interessant. Auf der anderen Seite aber auch schwierig, weil man die Sprache erst lernen und sich in andere Mentalitäten einfinden muss. Manchmal gibt es auch zu große Erwartungen. Das waren so die Schwierigkeiten, mit denen man zu kämpfen hatte.


1993 kehrten Sie zurück in die Bundesliga und stürzten sich in das Abenteuer Dynamo Dresden, das mit einem Vier-Punkte-Abzug als Hypothek in die Saison starten musste. Die Wenigsten rechneten mit dem Klassenerhalt, der letztlich geschafft wurde. Haben Sie selbst ernsthaft an den Klassenerhalt geglaubt?

Ja, ich war fest davon überzeugt. Es war eine tolle Mannschaft mit sehr guten Spielern und deswegen war ich auch absolut davon überzeugt, dass wir den Klassenerhalt schaffen. Am Ende wurde das ja auch bestätigt.


Wie enttäuschend war es für Sie, als man Sie in der Folgesaison auf Platz 15 stehend entlassen hatte? Vor allem im Hinblick darauf, dass Dynamo mit neuem Trainerteam als Letzter abgestiegen ist?

Es stand eigentlich schon fest, dass ich zur Hälfte der Saison nach Japan wechseln werde. Wahrscheinlich hat man sich gedacht, dass es direkt mit einem neuen Trainer besser funktionieren würde.


Sie gingen nach Japan und wurden so etwas wie ein Weltenbummler. Gab es keine attraktiven Angebote aus Deutschland, nachdem Sie diese großartige Saison mit Dresden gespielt haben?

Es war so, dass eine Menge Spieler verkauft wurden, ohne es vorher mit mir abzusprechen. Deshalb war ich ein wenig sauer. Daraus hat es sich dann auch ergeben, dass ich gewechselt bin. Japan war damals ein ganz tolles Angebot, das ich dann angenommen habe. Japan war einfach sehr spannend und es hat mich neugierig gemacht. Natürlich wurde es auch nicht schlecht bezahlt, da braucht man nicht drum herumreden.


Sie haben viele große Persönlichkeiten kennengelernt. Zum Abschluss würde ich Sie darum bitten, zu den folgenden Namen aufgrund persönlicher Erfahrungen in aller Kürze etwas zu sagen.

Lothar Emmerich: Mein Kamerad und Zimmerkollege. Wir haben uns auf dem Fußballplatz toll verstanden. Mit ihm hatte ich eine schöne Zeit.


Otto Rehhagel: Er war mein Trainer in Offenbach und Dortmund. Ich kam immer gut mit ihm zurecht. Er hielt tolle Ansprachen und wusste, wie man eine Mannschaft begeistert.


Manni Burgsmüller: Torgefährlich und ein richtiges Schlitzohr. Ein Spieler der jeder Mannschaft gut zu Gesicht stand.


Franz Beckenbauer: Ein Genie am Ball. Ich habe ihn in jungen Jahren kennengelernt, da war er sehr zurückhaltend. Er hat auf dem Platz eher Taten sprechen lassen.


Uwe Seeler: Unser Kapitän und ein Energiebündel. Ein richtiges Vorbild für jeden Spieler.

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