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Interview mit Rainer Schütterle

"Die Fans haben vor dem Stadion übernachtet..."
Rainer Schütterle hat weit über 400 Profispiele u. a. für Stuttgart, Karlsruhe und Duisburg absolviert. Er war Torschütze bei dem Wunder vom Wildpark gegen Valencia. Der ehemalige Mittelfeldspieler hat uns von großen Europapokal-Abenden, seinen Trainern und seinem nicht ganz soliden Lebenswandel als Profi erzählt.

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von Mario Gailing

Rainer Schütterle, bevor wir uns mit der Vergangenheit beschäftigen, möchten wir gerne wissen was du im Anschluss an deine Karriere gemacht hast und heute beruflich machst?
Ich habe nach Ende meiner Karriere berufsbegleitend ein Studium zum Finanzfachwirt (FH) absolviert. Nach selbständigen Tätigkeiten bei zwei Vermögensverwaltern und der Deutschen Apotheker und Ärzte Bank bin ich seit 01.01.2017 bei der Accessio Kapital GmbH, einer Vermögensverwaltung und Kanzlei für unabhängige Finanzplanung mit Hauptsitz in Stuttgart. Seit dem 01.07.2018 leite ich die Niederlassung in Karlsruhe im angestellten Verhältnis.
Gibt es Spiele oder Szenen, die dir immer noch besonders gut im Gedächtnis sind?
Spiele mit denen man im Anschluss etwas erreicht hatte, bleiben immer im Gedächtnis. Beispielsweise Aufstiege, die Qualifikation für den UEFA-Pokal, Spiele im UEFA-Pokal wie gegen Valencia, Länderspiele mit der U 18 oder U 21. 

Stehst du noch mit ehemaligen Mannschaftskameraden in Kontakt oder haben sich gar Freundschaften entwickelt, die du heute noch pflegst?
Mit den Spielern, die in Karlsruhe zum Kern der Allstarmannschaft des KSC gehören, trifft man sich regelmäßig bei Spielen oder Ausflügen. Zum Beispiel mit Eberhard Carl, Rainer Krieg, Michael Wittwer oder Burkhard Reich, um nur einige zu nennen. Viele trifft man mittlerweile regelmäßig bei Golfturnieren. Einige sind auch Mandanten von mir und vertrauen in finanziellen Bereichen auf meine Kompetenz. Eine echte Freundschaft gibt es mit Edgar Schmitt, dem Euro-Eddy. Wir telefonieren eigentlich fast jede Woche und sehen uns auch regelmäßig.

Du hast nationale und internationale Erfahrung in weit über 400 Profispielen gesammelt. Wäre mit dieser Erfahrung nicht eine Trainerkarriere die logische Konsequenz gewesen?
Wenn man es so sieht sicherlich. Ich habe auch den Trainer A-Schein in Hennef absolviert und danach etwa ein halbes Jahr eine Verbandsligamannschaft im Raum Karlsruhe trainiert. Allerdings habe ich hier nie meine Zukunft gesehen. Da ich direkt nach meiner Spielerkarriere Verwaltungsrat und später Vizepräsident beim Karlsruher SC war, hatte ich so noch eine intensive Beziehung zum Fußball.

Im Europapokalfinale 1989 mit dem VfB Stuttgart gegen den SSC Neapel hast du nur auf der Ersatzbank gesessen und wurdest nicht eingewechselt. Wie sehr schmerzt es, dass Neapel mit Weltstars wie Careca, Alemao und dem besten Fußballer seiner Zeit, Diego Maradona, besetzt war und man selbst nur zuschauen darf?
Man möchte natürlich immer spielen. Erst recht in solchen Spielen. Allerdings war das Verhältnis zu meinem damaligen Trainer Arie Haan zu diesem Zeitpunkt schon so, dass ich nicht mit einem Einsatz gerechnet habe.

Im Hinspiel in Neapel spielte Maradona vor dem 1:1 den Ball klar mit der Hand und der Elfmeter zum 2:1-Endstand war äußerst fragwürdig. Der Schiedsrichter wurde von der UEFA daraufhin gesperrt und es kam ein Manipulationsverdacht auf. Habt ihr euch damals betrogen gefühlt?
Das war in Neapel schon speziell und wir hätten eigentlich ein besseres Ergebnis verdient gehabt. Dies waren nicht die einzigen Situationen, die fragwürdig waren. Unabhängig davon, dass Neapel zu diesem Zeitpunkt natürlich eine tolle Mannschaft hatte, wäre für uns unter normalen Bedingungen mehr drin gewesen.

Es gibt ein bekanntes Video im Internet vom Aufwärmprogramm, das Maradona damals vor diesem Endspiel zu den Klängen von Live Is Life abgespult hat. Ich persönlich habe so etwas in dieser Form bis heute nie mehr gesehen. Was denkt man in so einem Moment als Gegenspieler? Arrogantes Arschloch oder geiler Typ?
Das hat man im ersten Moment gar nicht so mitbekommen. Man bereitet sich ja selbst auf das Spiel vor. Wir haben allerdings schon in Neapel mitbekommen, dass sich die Mannschaft von Neapel anders, als wir es kennen, aufgewärmt hat. Sie sind vor dem Spiel gar nicht auf dem Platz erschienen, haben sich ausschließlich in den Katakomben aufgewärmt. Alles in Allem würde ich aber sagen – Geiler Typ.

Du bist 1989 zurück nach Karlsruhe gewechselt, wo 1993 dein nächstes Europa-Abenteuer begann. Legendär ist das 7:0 gegen den FC Valencia nach einer 1:3-Niederlage im Hinspiel. Erzähle uns doch bitte kurz von dieser magischen Nacht.
Wir haben schon im Vorfeld des Spiels gespürt, dass es etwas Besonderes war. Die Fans haben vor dem Stadion übernachtet, um am nächsten Tag Karten für das Heimspiel zu bekommen. So ging es schon los. Wir wussten, dass wir von Anfang an alles unternehmen mussten, um eine Chance zu haben. Unser Trainer Winfried Schäfer war von der UEFA gesperrt worden und durfte eigentlich nicht in die Kabine, was er natürlich trotzdem machte. Wir hatten zu Beginn des Spieles natürlich auch Glück und einen Oliver Kahn, der wieder einmal Weltklasse hielt. Dann haben wir unsere Chancen gnadenlos genutzt und die Spieler von Valencia wussten gefühlt nach meinem 3:0 nicht mehr wie ihnen geschah. Das ging dann in der zweiten Halbzeit so weiter und wir spielten uns in einen Rausch, bei dem dann die überragenden Zuschauer uns noch zusätzlich über uns hinauswachsen ließen. Ein überragendes Erlebnis.

Nachdem internationale Hochkaräter wie Eindhoven, Valencia und Bordeaux auf dem Weg ins Halbfinale ausgeschaltet wurden, scheiterte der KSC im Halbfinale an Casino Salzburg. War man sich seiner Sache schon zu sicher?
Nein, das glaube ich nicht. Salzburg hatte zu diesem Zeitpunkt eine sehr gute Mannschaft, die nicht durch Zufall im Halbfinale stand. Allerdings hätten wir im Hinspiel ein deutlich besseres Ergebnis erzielen können. Vielleicht haben wir uns einfach zu sehr auf unsere Heimstärke verlassen und das Gegentor hat uns dann geschockt.

Am letzten Spieltag dieser Saison verspielte man dann auch noch die sicher geglaubte erneute Teilnahme am UEFA-Cup mit einer 1:5-Niederlage gegen den schon feststehenden Absteiger aus Wattenscheid. Wie ging die Mannschaft damit um, dass man am Ende einer eigentlich erfolgreichen Saison mit leeren Händen dastand?
Das war natürlich sehr bitter und wir wussten nicht so richtig, wie wir damit umgehen sollten. Es war ja nicht so, dass nur wir an diesem Spieltag verloren haben. Die anderen Mannschaften haben mit ihren Ergebnissen für eine Konstellation gesorgt, die wir nicht für möglich hielten.

Welcher deiner Trainer hat am meisten Eindruck hinterlassen? 
Natürlich Winfried Schäfer, unter dem ich die längste und beste Zeit hatte. Von allen anderen konnte man lernen. Mal abgesehen von Ewald Lienen, der zu diesem Zeitpunkt alles andere als ein guter Trainer war. Er hat aber, soweit ich es einschätzen kann, dazu gelernt. 

Gab es einen Mitspieler, der dich beeindruckt hat? 
Da gab es einige. Immerhin waren einige Nationalspieler dabei, von denen man sich einiges abschauen konnte. In Stuttgart waren das beispielsweise Karl Allgöwer, Asgeir Sigurvinsson und Jürgen Klinsmann. In Karlsruhe natürlich Oliver Kahn und Mehmet Scholl, die beide aus der Jugend kamen und man sehen konnte, was in Ihnen steckt.

Hattest du Vorbilder?
Klaus Fischer und Michel Platini.

Heute sitzen Spieler mit Kopfhörer und Smartphone im Mannschaftsbus und wechseln deutlich häufiger den Verein. Gab es damals einen besseren Zusammenhalt, eine bessere Kameradschaft in einer Mannschaft? 
Das glaube ich grundsätzlich schon. Allerdings halte ich einen guten Zusammenhalt und eine gute Kameradschaft auch heute noch für möglich. Es ist aber deutlich seltener. 

Wer war dein trinkfestester Mitspieler?
Da gab es einige. Eigentlich waren alle, mit denen ich befreundet war, bzw. privat Zeit verbracht habe, trinkfest.

Ist es dir schwergefallen vom einen auf den anderen Tag von der großen Fußballbühne zu steigen?
Nein, eigentlich nicht. Ab einem gewissen Alter möchte man selber entscheiden wann man ins Bett gehen möchte, um es etwas vereinfacht auszudrücken. Da ich direkt danach noch Verantwortlicher war, hatte ich ja noch Kontakt zur großen Fußballbühne. Daher lief das recht entspannt.

Wie wichtig ist eine gute Stimmung im Stadion? Nimmt man sie als Spieler bewusst wahr und beeinflusst sie sogar die eigene Leistung?
Eine gute Stimmung nimmt man auf jeden Fall war. Die eigene Leistung kann dadurch natürlich auch beeinflusst werden. In beide Richtungen. Mit dem Alter gewöhnt man sich allerdings etwas daran, sodass der Einfluss nicht mehr ganz so groß ist.

Welches war das schönste Stadion, in dem du je gespielt hast? Und gab es Stadien, in denen du gar nicht gerne gespielt hast?
Zu meiner Zeit war das Stadion in Bochum so ziemlich das einzige richtige Fußballstadion. Daher habe ich dort sehr gerne gespielt. Grundsätzlich waren alle großen Stadien, wenn Sie voll waren, ein Erlebnis. Nicht so schön waren die Stadien oft in meiner Zeit in Österreich. Meistens nicht sehr groß und auch noch wenige Zuschauer, das hat nicht wirklich Spaß gemacht.

Glaubst du, dass du in deiner Karriere alles richtig gemacht hast oder gab es Dinge, die du heute anders machen würdest?
Ich hätte sicher bei etwas soliderem Lebenswandel einiges mehr erreichen können. Dennoch bin ich, wenn man beide Seiten abwägt, mit dem was ich erreicht habe, zufrieden. Sportlich würde ich aus heutiger Sicht nicht mehr nach Duisburg wechseln. Dennoch habe ich dort viele Menschen kennen gelernt, mit denen ich heute noch privat und beruflich Kontakt habe. So hat es sich dann doch noch positiv entwickelt.


Spielerstationen:
1985 - 1987     Karlsruher SC
1987 - 1989     VfB Stuttgart
1989 - 1994     Karlsruher SC
1994 - 1996     MSV Duisburg
1996 - 1997     SV Ried (Österreich)
1997 - 1999     SC Fortuna Köln
1999 - 2000     Karlsruher SC

Bundesliga - 236 Spiele, 42 Tore
2. Bundesliga - 156 Spiele, 36 Tore
Europapokal - 17 Spiele, 1 Tor
DFB-Pokal - 30 Spiele, 10 Tore

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