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Interview mit Peter Közle

"Ich erhielt Morddrohungen und es wurden Todesanzeigen mit meinem Namen geschaltet."

Peter Közle spielte in der Bundesliga für den MSV Duisburg und den VfL Bochum. Wie schnell man vom geliebten Star zum Hassobjekt wird, hat er am eigenen Leib erlebt.

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von Nico Petrowsky


Peter Közle, bevor wir uns mit der Vergangenheit beschäftigen, möchten wir gerne wissen was Sie im Anschluss an Ihre Karriere machten und heute beruflich machen?
Ich habe es erst einmal genossen, dass ich keinen Fußball mehr spielen, bzw. jeden Tag trainieren musste. Die Freiheiten, die man dadurch hatte, habe ich zu 100% ausgenutzt. Ich war sehr viel auf Reisen und habe ein paar Monate in Miami gelebt. Mit meiner damaligen Freundin war ich auch ein paar Monate in Australien. Ich bin sehr viel Ski gefahren oder habe am Wochenende ein paar Partys mitgenommen. Das waren eben Sachen, die man als Profifußballer nicht machen konnte. Ich habe das Leben also erstmal genossen. Nebenbei habe ich aber trotzdem auch versucht beim Fußball zu bleiben. Beispielsweise habe ich ein Praktikum bei Sport 1 gemacht. Da wurde mir aber relativ schnell klar, dass das nichts für mich ist und habe ein wenig Abstand genommen vom Fußballgeschäft. Bei einem Bezirksligaverein spielte ich nebenbei noch etwas Fußball. Das waren so die ersten 10 Jahren nach meiner Karriere. Heute bin ich Privatier und habe zwei Kinder zu Hause, um die ich mich kümmere. Meine Frau geht arbeiten und ich bin sozusagen der Hausmann.


Sie wechselten 1985 als 17-Jähriger in die Jugendabteilung des FC Bayern München. Wie kam es zu dem Interesse der Bayern?
Damals spielte ich in einer Oberbayernauswahl und bin dann auch in der Bayernauswahl gelandet. Da waren, wie heute auch, die ganzen Scouts von den größeren Vereinen. Hinzu kam, dass mein Bruder ein Jahr vorher schon in der B-Jugend von unserem Heimatort zu den Bayern gewechselt ist. Die wussten, dass es noch einen Bruder gibt, der auch ganz gut kicken kann. Da hatte ich allerdings noch nicht so die körperliche Reife. Trotzdem wurde ich weiterhin beobachtet und irgendwann dann verpflichtet.


War es Ihr großes Ziel Profi zu werden oder war die Jugendabteilung des FC Bayern ein Abenteuer für Sie?
Für mich gab es immer nur das eine Ziel, nämlich Profi zu werden. Wir haben jeden Tag Fußball gespielt und trainiert. Ich habe immer davon geträumt mal in der Bundesliga Fußball spielen zu dürfen. Dass es beim FC Bayern München nicht klappt, war relativ schnell klar, da Bayern zu dieser Zeit Spieler aus dem Ausland oder von anderen deutschen Vereinen gekauft hat. Aus der Jugend hat es vielleicht mal einer geschafft, um den Kader aufzufüllen. Aus meiner Zeit fällt mir aber gerade keiner ein, der mal irgendeine Rolle bei den Bayern gespielt hat. Da war mir schon klar, dass es dort nichts wird. Ich war natürlich erstmal stolz, dass man aus einem kleinen Dorf in die Jugend des großen FC Bayern geholt wird, aber es gab natürlich einen brutalen Konkurrenzkampf. Ich musste jeden Tag 180 Kilometer fahren. Als Abenteuer würde ich es deshalb nicht bezeichnen, da ich zu viel investiert habe. Ich habe schon im Hinterkopf gehofft, dass mich vielleicht ein anderer Verein entdeckt. Es war zwar in gewisser Weise utopisch sich vorzustellen, dass man beim großen FCB den Durchbruch schafft, aber ein Abenteuer war es definitiv nicht.


Nachdem Sie 1986 in der Oberliga für die zweite Mannschaft der Bayern aufliefen, wechselten Sie innerhalb der Oberliga zum TSV Ampfing. Sahen Sie damals Ihren Traum von der Bundesliga schon platzen?
Der Aufwand war einfach viel zu groß, wenn man bis 16 Uhr arbeiten musste und dann ein 1 ½ Stunden zum Training fährt. Nach zwei Stunden Training musste ich wieder 1 ½  Stunden nach Hause fahren. Jeden Tag. Als ich dann regelmäßig am Wochenende nur auf der Bank saß oder ein paar Minuten spielte, war für mich irgendwann klar, dass es so nicht weitergehen kann. Deswegen bin ich weg. Nicht mal aus dem Grund, weil es aussichtslos war, Profi bei Bayern zu werden, sondern weil es einfach nichts gebracht hätte noch weiter in der zweiten Mannschaft zu spielen. Ich habe beim TSV Ampfing in der gleichen Liga gespielt wie die Bayern-Amateure und war dort mit 19 Jahren Stammspieler. Ich tankte dort wieder so viel Selbstvertrauen, um meinen Traum nochmal aktiv verwirklichen zu wollen.


Sie hatten also einen Plan B in Form einer Ausbildung in der Hinterhand, falls es mit dem Fußball hauptberuflich nicht geklappt hätte?
Ja, das war der Grund, warum ich die ganzen Fahrten auf mich nehmen musste. Ich hätte auch ins Internat gehen können. Das wollte ich aber nicht, weil ich zeitgleich eine Ausbildung als Verwaltungsfachangestellter bei der Stadt Trostberg anfing. Für mich war immer klar, dass ich die Ausbildung erst abschließe. Ich arbeitete auch noch zwei Jahre dort, bevor ich Profi wurde. Plan A war eine vernünftige Ausbildung und Plan B dann erst der Fußballprofi. Ich hätte diese Ausbildung niemals aufgegeben, das wäre zu leichtsinnig gewesen.


In Ihrer Vita steht ab 1987 ein kurzer Aufenthalt bei Cercle Brügge in der ersten belgischen Liga. Den Spielerberater gab es noch nicht in der Form, wie wir ihn heute kennen. Wie kam es zu dem Kontakt? 
Es gab tatsächlich einen Spielerberater, ansonsten wäre mein Wechsel gar nicht zustande gekommen. Eigentlich war es so, dass ich bei Young Boys Bern in der Schweiz unterschrieben hatte und im Januar 1988 dorthin wechseln sollte. Nur hat man dann bemerkt, dass der Schweizer Fußball Richtlinien hatte, die vorgaben, dass ein Amateurspieler nicht in die erste Schweizer Liga wechseln durfte. Man musste vorher in irgendeinem anderen Land mindestens zwei Spiele in der ersten Liga gemacht haben, erst dann durfte man wechseln. Wir überlegten dann Mitte Dezember, welcher Verein in Europa noch spielt und wo ich noch zwei Spiele machen könnte. Natürlich brauchte man auch einen Verein, der darauf einging und das mitmachte. Cercle Brügge hat sich dann bereit erklärt und ich bin für drei Wochen nach Brügge und wurde in den letzten zwei Spielen für jeweils 5 Minuten eingewechselt, sodass ich meine beiden Spiele in einer ersten Liga voll hatte. Cercle Brügge steht also in meiner Statistik drin, aber das war eher eine notwendige Sache gewesen, um in der Schweiz Fußball spielen zu können.


Damals hatten es deutsche Spieler in Belgien nicht leicht. Bekamen Sie die belgische Abneigung auch zu spüren? 
Nein, überhaupt nicht. Dafür war ich aber auch zu unwichtig und zu kurz dort. Ich merkte nichts davon, dass man als Deutscher irgendwelche Probleme in Belgien hatte. Bevor die dort überhaupt gemerkt haben, dass ich Deutscher bin, war ich ja auch schon wieder weg.


Bei Young Boys Bern spielten Sie sich schnell in die Mannschaft und der Schweizer Spitzenclub Grasshoppers Zürich wurde auf Sie aufmerksam. Dort war ein ganz junger Ottmar Hitzfeld Ihr Trainer. Ließ sich zu diesem Zeitpunkt schon erahnen, welch großer Trainer er werden würde? 
Als ich kam, hatte er schon große Erfolge mit dem FC Aarau gefeiert. Was er mit den Grasshoppers erreicht hatte, war natürlich auch grandios. Dass er ein großartiger Trainer und Mensch ist, merkte man sofort. Damals hat er einen eher mittelmäßigen BVB übernommen und den Club quasi zu dem gemacht, was er heute ist. Bei Bayern hatte er dann ja auch überragende Erfolge. In der Schweiz hat man ihm sowas schon zugetraut, aber dass er es tatsächlich schafft, dachten wahrscheinlich die wenigsten.


Mit Zürich gewannen Sie die Meisterschaft und spielten in der Champions League. Zu Ihren Mannschaftskameraden gehörten Riesentalente wie Giovane Élber, Ciri Sforza und Alain Sutter, die in der Bundesliga steile Karrieren starteten. Hatten Sie damals auch noch die Hoffnung in der Bundesliga spielen zu dürfen?
Ich habe 5 ½ Jahre in der Schweiz gespielt und Zürich ist auch meine Heimat geworden. Ich habe deswegen auch nicht damit gerechnet, dass ich nochmal Bundesliga spielen werde, weil ich eigentlich in der Schweiz bleiben wollte und ich mich dort wohl gefühlt habe. Ich hatte sogar schon den Schweizer Dialekt drauf. Der Grund, warum ich in die Bundesliga gewechselt bin war, dass ich mich mit dem Manager von Grasshoppers Zürich nicht über eine Vertragsverlängerung einigen konnte und ich deshalb schon meine Karriere beenden wollte. Ich habe mich dann von Ewald Lienen in einem sehr langen Telefonat dazu überreden lassen, nach Duisburg zu wechseln. Ich hatte mit dem Fußball schon abgeschlossen, aber den Schritt habe ich dann Gott sei Dank doch noch gewagt.


Sie spielten auf europäischer Ebene gegen Mannschaften wie AS Rom, Trabzonspor oder Sporting Lissabon. Woran haben Sie die stärksten Erinnerungen? 
Spiele auf europäischer Ebene sind etwas ganz Besonderes. Die Vorbereitung, die Reisen und die Stadien, die man zuvor nur im Fernsehen gesehen hat. Dann natürlich diese Top-Spieler wie Häßler, Rizzitelli oder Caniggia, das war alles sehr beeindruckend. Wir mussten damals in Rom auch Lehrgeld zahlen, weil wir viel zu ängstlich waren. Wir hätten vielleicht mehr rausholen können. Das Rückspiel haben wir sogar gewonnen, wenn ich mich richtig erinnere. Das waren wunderschöne Erfahrungen. Ich hätte gerne noch mehr solche Spiele gemacht. Auch mit Young Boys Bern waren wir im Meistercup. Ajax Amsterdam kam als Gegner mit Litmanen im Sturm, der später ein absoluter Top-Star war. Leider saß ich da nur auf der Tribüne, weil ich noch nicht spielberechtigt war.


1993 kamen Sie endlich in der Bundesliga an und spielten eine tolle Saison für den MSV Duisburg. Sie erzielten 13 Tore und wurden Publikumsliebling. Wie sehr unterschied sich die Bundesliga von der Schweizer Liga?
Das Interesse der Zuschauer und der Medien ist in der Bundesliga deutlich größer gewesen. Im ersten Training waren mehr Leute, als bei den Heimspielen von Zürich. Zu den Spielen waren 30.000 bis 40.000 Menschen im Stadion. Das war schon gewaltig. In der Schweiz war Skifahren die Sportart Nummer 1, gefolgt von Eishockey. Der Fußball hat dort nicht so starkes Interesse geweckt. Die Spieler waren in der Bundesliga auch besser ausgebildet. Es war nicht mehr so einfach Tore zu schießen, wie in der Schweiz. Die Spiele waren viel intensiver und es war einfach eine ganz andere Liga. Aber der größte Unterschied war natürlich das Interesse. Gerade im Pott, wo der Fußball einen sehr hohen Stellenwert hat. Das war sehr beeindruckend für mich, wie im Pott der Fußball gelebt wird. Da fiebert eine ganze Stadt auf die Derbys gegen Schalke oder Dortmund hin. Das habe ich so aus der Schweiz nicht gekannt. Es hat natürlich alles Vor- und Nachteile. In der Schweiz konnte man in der Stadt rumlaufen, ohne dass man erkannt wurde. Man hatte also einen ruhigen Alltag. Das hat sich in Duisburg schlagartig geändert.


In Ihrer zweiten Saison lief es schlechter und der MSV Duisburg stieg aus der Bundesliga ab. Sie fielen in Ungnade bei den Fans, die Sie sogar bis nach Hause verfolgten. Warum machte man den Misserfolg an Ihnen fest?
Im ersten Jahr waren wir sehr erfolgreich. Ich habe viele Tore gemacht und war dementsprechend auch immer in den Medien. Wenn es im ersten Jahr darum ging einen Namen für den Erfolg zu nennen, dann viel häufig meiner. Teilweise war das etwas übertrieben, weil wir eine hervorragende Mannschaft hatten, in der generell alles gepasst hat. Es gab niemals diesen „einen“ Spieler, wegen dem man den Erfolg hatte. Die ganze Freude ging dann aber auf mich über und ich habe das genossen. Ich war immer der Typ, der nach den Spielen in die Stadt gegangen ist und ein paar Bierchen getrunken hat. Das heißt, man konnte als Fan auch immer mit mir quatschen und ich war nie dieser abgehobene Fußballprofi, der vergessen hat, wo er herkommt. Ich habe versucht normal zu bleiben, habe aber vergessen, dass das fast unmöglich ist. Man muss einfach ein bisschen Distanz haben. Die Leute mochten mich wahrscheinlich nicht als Typen, sondern weil ich guten Fußball gespielt und Tore für ihren Verein geschossen habe. Das habe ich im zweiten Jahr nicht mehr gemacht, jedenfalls nicht so häufig. Wir haben Spiele verloren und gegen den Abstieg gespielt. Ich habe aber nicht gedacht, dass ich mein Verhalten gegenüber den Fans im Alltag ändern muss und habe das auch nicht getan. Dann habe ich relativ schnell gemerkt, dass es nicht mehr geht. Die Leute haben mich verfolgt und versucht zu verprügeln. Wenn ich ins Stadion eingelaufen bin, war es das Schlimmste für mich, wenn die eigenen Fans mich ausgebuht haben. Meine langen Haare waren zum Beispiel im ersten Jahr das Beste und Schönste und im zweiten Jahr war das alles negativ. Irgendwann hatte ich Angst alleine in meine Wohnung zu gehen und die Fans haben mich im Stadion beleidigt. Da war für mich klar, dass es reicht. Ich habe den Vertrag aufgelöst, weil es für mich keinen Sinn mehr machte. Ich wollte damit auch ein wenig Druck aus der Mannschaft nehmen.


In Bern war Andrés Escobar Ihr Mannschaftskamerad, der nach einem Eigentor für Kolumbien bei der WM 1994 ermordet wurde. Dachten Sie auch an seine Geschichte, als Sie den Entschluss fassten, Duisburg zu verlassen?
Nein, überhaupt nicht. Das waren andere Dimensionen. In Duisburg war es bei weitem nicht so extrem. Bei Escobar hat man ja gelesen, dass die Mafia wegen ihm einen Haufen Geld verloren hat und er deshalb erschossen wurde. Ich glaube nicht, dass man das mit meiner Situation vergleichen kann. Ich habe in meiner Situation auch überhaupt nicht daran gedacht. Natürlich hat man Schiss, dass die Leute mal handgreiflich werden. Aber das was mit Escobar passiert ist war eine ganz andere Liga. Es war für mich trotzdem so, dass eine Grenze erreicht wurde, die für mich nicht mehr vertretbar war.


In Bochum fanden Sie Ihr neues Glück. Gleich am ersten Spieltag mussten Sie bei Ihrem Ex-Verein in Duisburg spielen. Wie geht man als Spieler mit solchen Situationen um?
Das hat natürlich super gut gepasst. Hätte ich mir ehrlichgesagt auch am liebsten erspart. Im Vorfeld wurde da relativ viel Wirbel um das Spiel gemacht. Ich erhielt sogar Morddrohungen und es wurden Todesanzeigen mit meinem Namen geschaltet. Meine Eltern wurden auch bedroht. Sowas muss man aber nicht ernst nehmen. Dennoch war ich entsprechend nervös, als wir mit dem Bus ins Stadion fuhren und ich dort ein 90-minütiges Pfeifkonzert bekam. Ich habe ein gutes Spiel gemacht, von daher könnte man sagen, es hat mich nicht beeinträchtigt. Aber ich hatte schon ein flaues Gefühl im Magen. Solche Spiele braucht man nicht. Aber natürlich gibt es auch Spieler, die sagen, es ist das absolut geilste, wenn das ganze Stadion gegen dich ist. Für mich war das nicht so. Man hat es einmal mitgemacht, aber regelmäßig hätte ich das nicht gebraucht. Im Nachhinein hat der Manager von Bochum, Klaus Hilpert, mir erzählt, dass er so etwas noch nie erlebt hatte. Es gab viele Drohungen auf der Geschäftsstelle und er hat überlegt einen Sicherheitsdienst zu bestellen, der mich beschützt. Ich hatte im Vorfeld versucht, mich so diplomatisch wie möglich zu verhalten und in den Interviews aufgepasst, dass ich nicht noch Öl ins Feuer gieße.


Als Führungsspieler und mit elf Toren waren Sie maßgeblich am Aufstieg des VfL beteiligt. Als Aufsteiger erreichten Sie sensationell den UEFA-Cup. Fußball-Deutschland feierte die einst graue Maus aus Bochum. Was machte diese Mannschaft aus?
Wir waren extrem erfolgreich, zumindest die ersten zwei Jahre. Im dritten Jahr sind wir im Europapokal relativ weit gekommen, aber die Bundesligasaison lief nicht ganz so optimal. Im Endeffekt hat die Mannschaft super zusammengepasst. Klaus Topmöller hat die richtigen Spieler geholt, auch welche die schon ein bisschen älter waren, die aber zeigen wollten, dass sie noch nicht zum alten Eisen gehören. So waren wir Älteren schon sehr motiviert, mit dem VfL Bochum etwas zu erreichen. Wir hatten aber auch junge und hungrige Spieler. In der Mannschaft ist jeder für jeden gelaufen und jeder hat für den anderen Dreck gefressen. Wir hatten eine super Stimmung in der Kabine, haben gefeiert und Mannschaftsabende gemacht. Die Mannschaft hat 100% zusammengepasst und sich unterstützt. Und wir hatten Darius Wosz. Das muss man einfach neidlos anerkennen. Ein überragender Mittelfeldspieler. Ein außergewöhnlich guter Spieler, der auch verdientermaßen zum Nationalspieler wurde. Den muss man einfach erwähnen.


Ihre Einsatzzeiten verringerten sich im dritten Jahr bei Bochum drastisch und Sie gingen im besten Fußballeralter in die Regionalliga zu Union Berlin. Gab es keine Angebote von höherklassigen Vereinen?
Es lief nicht mehr ganz so rund und ich hatte einige Verletzungen. Ich habe auch nicht mehr so gut gespielt, wie die beiden Jahre zuvor. Nach 10 Jahren als Profi spürte ich irgendwann eine gewisse Müdigkeit. Ich habe ein Jahr vorher meinen Vertrag noch um vier Jahre verlängert, umso erstaunlicher war es dann, als Klaus Toppmöller meinte, ich solle mir einen neuen Verein suchen. Das habe ich dann auch so hingenommen und mich umgeschaut. Ich hatte keinen Spielerberater wie heute, der sich um alles kümmert, sondern ich habe meine Verträge immer alleine gemacht. Bis auf das eine Mal, als ich in die Schweiz wechselte. Die Angebote sind nicht reihenweise eingeflogen. Es gab ein Angebot aus Österreich, da wollte ich aber nicht hingehen. Dann kam ein Angebot von Union Berlin und ich dachte, Berlin wäre eine neue, relativ spannende Stadt, die man kennenlernen sollte. Wobei der Schritt von der ersten Liga in die Regionalliga schon gewaltig war. Das Gespräch mit den Verantwortlichen von Union war gut. Sie wollten in die Bundesliga und brauchten ein Aushängeschild, um den Verein zu präsentieren. Union Berlin hat einfach zu mir gepasst. Es gab sonst keine größeren Angebote und finanziell war es auch ein sehr gutes Angebot für mich.


Ist es Ihnen schwergefallen vom einen auf den anderen Tag von der großen Fußballbühne zu steigen?
Ja. Das hätte ich so eigentlich auch nicht erwartet. Ich bin immer davon ausgegangen, dass ich froh bin, wenn es vorbei ist. Ich hatte wirklich zu kämpfen und hätte mir einen anderen Abschluss gewünscht, weil ich ja nach Berlin nochmal beim MSV Duisburg unterschrieben habe und dann wegen Achillessehnenproblemen mein Vertrag nicht verlängert wurde. Ich hätte gerne noch ein, zwei Jahre gespielt und bin in ein Loch gefallen. Wenn man einen Trainingsplan hat und jeden Tag gesagt bekommt, was man zu tun hat und immer jemand da ist, der deinen Tagesablauf bestimmt, dann fällt man in ein Loch, wenn es dann plötzlich vorbei ist. Die ganzen Emotionen, die man als Fußballprofi erleben darf, z.B. in die Stadien einzulaufen, Tore zu schießen, gefeiert zu werden, Erfolge zu haben, das sind Sachen, die dir dann fehlen. Da ist es schon wichtig, ein gutes Umfeld zu haben, welches dich auffängt. Man versucht dann andere Bereiche zu finden, die einen interessieren. Oft hört man ja auch von extremen Beispielen, wenn manche Ex-Profis Depressionen bekommen oder dem Alkohol oder den Drogen verfallen. Das ist an mir aber Gott sei Dank vorbeimarschiert.


Stehen Sie noch mit ehemaligen Mannschaftskameraden in Kontakt oder haben sich gar Freundschaften entwickelt, die sie heute noch pflegen?
Nein, bei mir haben sich keine Freundschaften entwickelt. Ich habe Kumpels gefunden, wie beispielsweise Peter Peschel, den ich manchmal bei Spielen mit der Traditionsmannschaft sehe oder Joachim Hopp, den ich beim Karneval in Duisburg mal getroffen habe und wir uns dann jedes Jahr verabredet haben. Ich sehe auch die ehemaligen Spieler von Bochum noch regelmäßig, aber das sind keine richtigen Freundschaften.


Welcher Ihrer Trainer hat am meisten Eindruck hinterlassen? 
Schwer zu sagen, ich hatte einige Trainer in meiner Karriere. Für mich mit Sicherheit wichtig waren Klaus Toppmöller, Ewald Lienen und Ottmar Hitzfeld. Sie waren die prägendsten und entscheidendsten Trainer in meiner Karriere. Einen bleibenden Eindruck hat auch Leo Beenhakker hinterlassen, den ich damals bei Grasshoppers Zürich hatte. Was der dort abgeliefert hat war schon beeindruckend. Er wurde bei Real Madrid rausgeworfen und kam dann plötzlich nach Zürich. Mit so einem Trainer zu arbeiten war etwas ganz Besonderes.


Wer war Ihr unbequemster Gegenspieler?
Michael Schulz vom BVB. Auf alle Fälle. Er war nicht mein bester Gegenspieler, aber ich hatte vor ihm immer am meisten Angst.


Welches war das schönste Stadion, in dem Sie je gespielt haben? Und gab es Stadien, in denen Sie gar nicht gerne gespielt haben?
Richtig schlimm war es auf dem Betzenberg in Kaiserslautern. Da habe ich, glaube ich, nicht einen Punkt geholt. Was da los war, war wirklich abartig. Da habe ich überhaupt nicht gerne gespielt. Das schönste Erlebnis war ein Vorspiel in Madrid im Bernabeu-Stadion. Da hatten wir mit der A-Jugend das Vorspiel und in der zweiten Halbzeit waren schon knapp 100.000 Leute da, weil nach uns die Profis kamen. Das war extrem beeindruckend. Das geilste Stadion wird für mich aber immer das Bochumer Ruhrstadion sein. Ich werde nie vergessen, wie ich dort das erste Mal gespielt habe. Ein tolles Stadion mit toller Atmosphäre, so wie es sein muss. Was man auch nicht vergisst ist, wenn man als Bayer einmal im Olympiastadion spielen durfte. Das kannte man ja nur vom Vorbeifahren. Auch das war ein Highlight, dort mal zu spielen. Aber es war eben kein reines Fußballstadion.


Zum Abschluss würde ich Ihnen gerne einige Namen von ehemaligen Weggefährten nennen und Sie darum bitten, aufgrund persönlicher Erfahrungen, etwas zu ihnen zu sagen.
Dariusz Wosz: Identifikationsfigur in Bochum und vielleicht der beste Spieler, den der VfL je hatte. Man konnte sich 100% auf ihn verlassen.
 
Roland Wohlfahrt: Ein absoluter Spaßvogel. Einer der besten Kollegen, den ich beim VfL damals hatte. Ein außergewöhnlicher Spieler und Topstürmer, der es bei Bochum leider nicht zeigen konnte. Aber im Training immer sensationell.
 
Klaus Toppmöller: Absoluter Fußball-Fachmann. Ein Trainer, der mit der Mannschaft durch dick und dünn gegangen ist. Ein menschlicher Trainer, der immer ein offenes Ohr hatte.
 
Ewald Lienen: Ein außergewöhnlicher Mensch, der glaube ich nicht ganz genau wusste, was er mit diesem Bundesligageschäft anfangen soll. Er war sehr ehrgeizig und ist seinen Weg gegangen.
 
Ciriaco Sforza: Ein Eigenprödler. Er war damals in Zürich für zweieinhalb Jahre mein Nachbar. Ein hochintelligenter Spieler und Teamplayer. Aber außerhalb des Platzes war es schwer an ihn ranzukommen.
 
Giovane Élber: Ein grandioser Fußballer. Als er damals in die Schweiz kam hatte er als Brasilianer allerdings ein Problem: Den Schnee. Das hat ihm nicht so gut gefallen. Pünktlich war er auch nicht. Bei ich ihm hat ein Urlaub gerne mal ein paar Tage länger gedauert. Ansonsten ein eiskalter Stürmer. Er ist aber immer Mensch geblieben, also nicht abgehoben trotz seiner ganzen Tore und Erfolge. 

Peter Közle im aktuellen Sportstudio

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