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Interview mit Jörg Dittwar

"Rudi Assauer hat meine Mutter zusammengeschissen!"
Jörg Dittwar spielte von 1987 bis 1994 in der Bundesliga für den Club. Warum es ein Nacktfoto von ihm in der Sport Bild gab, hat er uns genauso erzählt, wie die Geschichte, als Schalke-Manager Rudi Assauer seine Mutter zusammengefaltet hat.

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von Nico Petrowsky
Jörg Dittwar, bevor wir uns mit der Vergangenheit befassen, würden wir gerne wissen, was du im Anschluss an deine Karriere gemacht hast und was du heute beruflich machst?
Nach meiner Karriere hatte bis zum heutigen Tag eigentlich alles mit Fußball zu tun. Ich war bis vor drei Jahren in der Fußballschule von Bernd Hobsch angestellt. Ich war eigentlich einer der Ersten in Deutschland, der seit 1995 Fußballschulen betrieben hat. Allerdings nicht unter meinem Namen, sondern bei Michael Rummenigge, Armin Eck, Armin Störzenhofecker, Reinhold Hintermaier oder Hans Dorfner. Von 2006 bis 2017 war ich dann hauptberuflich bei Bernd Hobsch. Danach bin ich zur SG Frohnlach-Ebersdorf-Großgarnstadt. Dort bin ich sportlicher Leiter und stehe quasi täglich auf dem Fußballplatz. Ich trainiere alle Kinder und bin auch bei allen anderen Trainern als Co-Trainer dabei. Von 2009 bis 2017 war ich auch Bundestrainer im Behindertenbereich für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung. Beim 1.FC Nürnberg bin ich außerdem beim Schul- und Werkstattprojekt und als Fanreporter tätig.

Nachdem du in Bayreuth erste Erfahrungen im Profifußball sammeln konntest, bist du 1987 zum 1. FC Nürnberg gegangen. Der FC Schalke wollte dich bereits zwei Jahre vorher verpflichten. Für die meisten Spieler aus der Bayernliga wäre ein Traum in Erfüllung gegangen, wenn der FC Schalke angeklopft hätte. Warum nicht für dich? Du hast Schalke abgesagt.
Damals wollte Rudi Assauer eigentlich Armin Eck beobachten, hat aber dann in Aschaffenburg mich entdeckt. Rudi Assauer hat bei mir angerufen, aber ich wollte mir zuerst Gedanken machen. Er sagte, er nimmt sich eine Woche Urlaub und danach meldet er sich wieder und wir machen alles klar! In dieser Woche war ich dann beim Vorstand und Sponsor der SpVgg Bayreuth, Hans Wölfel. Damals hatte man ja noch keinen Berater und Hans Wölfel sagte: „Komm wir machen noch ein Jahr. Nach Schalke kannst du auch noch später wechseln.“ Ich wollte aus meinem Oberfranken eigentlich auch nicht raus, weil auf Schalke hätte ich niemanden gekannt und wäre allein gewesen. So habe ich mich dann entschieden. Schließlich hat Rudi Assauer dann bei meiner Mutter angerufen, weil ich nicht zu Hause war und hat sie zusammengeschissen, weil er so sauer war. Er sagte so etwas passiere ihm nie wieder in seiner Karriere. Das nächste Mal macht er seine Hausaufgaben, bevor er in Urlaub fährt. Man weiß nie, ob ich dann Profi geworden wäre, weil Schalke schon eine andere Hausnummer war. Mein Plan war es zu bleiben und noch ein gutes Jahr zu spielen. Allerdings sind wir mit Bayreuth dann abgestiegen. Ich war zu dem Zeitpunkt 23 und wollte es noch ein Jahr versuchen. In diesem sind wir dann auch in die 2. Bundesliga aufgestiegen und Heinz Höher vom Club hat bei mir angefragt, ob ich mal ein Probetraining machen möchte. Zum VfB Stuttgart hätte ich auch gekonnt, aber ich wollte nicht so weit weg von zu Hause. Deswegen bin ich dann zu Nürnberg gegangen. Heinz Höher wollte mich auch unbedingt haben und ich habe auch immer gewusst, dass ich spielen werde. Ich war am Anfang zwar verletzt, aber Heinz Höher hat zu mir gesagt, ich müsse mich nicht verrückt machen. Er hat immer zu mir gestanden und auch meine anderen Trainer wie Willi Entenmann, Arie Haan oder mein Mentor Hermann Gerland waren von meiner Spielweise angetan. Ich war eben ein Kämpfer, bin viel gerannt und habe nie aufgegeben. Von daher habe ich alles richtig gemacht. Ich hätte auch noch nach Leverkusen, Schalke oder Köln gekonnt. Früher gab es eben noch keine Spielerberater und die Trainer haben sich untereinander gekannt. Da wurde man dann gefragt: „Jörg willst du dort oder dort hin wechseln?“ Ich hätte woanders wahrscheinlich das doppelte oder dreifache verdient, aber ich wollte nicht aus meinem Franken raus und bereue es auch nicht. Ich sage immer Geld ist nicht alles im Leben und ich möchte mit Spaß auf die Arbeit gehen. Ich wollte mich nicht irgendwo verstellen und auch von der Mentalität her ist ein Franke ganz anders gestrickt als z.B. ein Ruhrpottler.

In Nürnberg bist du auf Anhieb Stammspieler geworden. Es ging fast jedes Jahr gegen den Bundesliga-Abstieg und trotzdem bist du bis zu deinem Karriereende beim Club geblieben. Hattest du nie das Bedürfnis den Verein zu wechseln?
Ich hätte wechseln können, aber im ersten Jahr sind wir Fünfter geworden und in den UEFA-Cup gekommen. Stefan Reuter und Roland Grahammer haben da noch mitgespielt. Im zweiten Jahr ging es dann gegen den Abstieg, im Dritten waren wir wieder weiter vorne und im Vierten wieder hinten. Quasi einmal rauf und einmal runter.

Obwohl du gelernter Libero und Verteidiger warst, hast du 1991 die vereinsinterne Torjägerkanone mit sieben Treffern geholt und warst somit maßgeblich am Klassenerhalt beteiligt. Wie kam es dazu? Mit Dieter Eckstein und Sergio Zarate war der Club offensiv doch eigentlich sehr gut besetzt.
Ich bin es gerade letzte Woche noch einmal durchgegangen, deswegen muss ich sagen, dass darunter auch sechs Elfmeter waren. Da gehört natürlich immer Glück dazu. Martin Wagner und ich haben im Training immer geübt und Martin war eigentlich der erste Schütze. Im ersten Spiel hat Martin Wagner dann einen Elfmeter verschossen, der aber wiederholt wurde. Die Mannschaft sagte daraufhin, dass ich schießen soll. Ich habe ihn dann verwandelt und dann auch die anderen geschossen. Es ist aber nicht immer einfach zu überlegen wo man hin schießt, weil deine Gegner es ja auch im Fernsehen sehen. Man muss auch immer berücksichtigen wann man schießt. In der 70. Minute beim Stand von 3:0 kann ja jeder schießen, aber ich musste z.B. auch in Leverkusen in der 90. Minute beim Stand von 2:1 schießen oder auch auf St. Pauli beim Stand von 0:0. Am meisten geärgert hat es mich gegen Bayern. Da hat Hans Dorfner noch gesagt: „Schieß in deine starke linke Ecke.“ Beim Elfmeter gab es ein Gerangel und Stefan Reuter hat aus Spaß gesagt: „Komm verschieß, dann sind wir nächste Woche Meister.“ Beim Anlauf war ich mir auch sicher, dass ich nach links schieße, aber ich habe meinen Fuß dann im letzten Moment nach rechts gehalten und Aumann hat gehalten. Der hatte noch nie einen Elfmeter gehalten und ich war der Erste. Das ist bis heute ein bleibender Eindruck. Wenn wir uns heute sehen sage ich immer: „Mein Gott Raimond, ausgerechnet bei dir.“

Es gibt ein bekanntes Nacktfoto von dir aus dem Stadion in Wattenscheid 1991. Die Sport Bild nutzte diese Möglichkeit und veröffentlichte dieses Foto in ihrer Printausgabe. Wie kam es dazu, dass du nackt durch die Massen laufen musstest?
Wir mussten nach Wattenscheid fahren und St. Pauli musste in Dortmund spielen. Ca. fünf Minuten vor Schluss kam dann die Meldung, dass St. Pauli verloren hat und wir haben 1:0 geführt. Plötzlich kam ein Pfiff von Schiedsrichter Markus Merk, der damals auch noch ein junger Kerl war. Unsere Fans haben alle schon an der Außenlinie gestanden und sind nach dem Pfiff natürlich reingelaufen. Mir wurde das Trikot runtergerissen und meine Schuhe waren auch weg, aber auf einmal war das Spielfeld wieder frei und ich merkte, dass das Spiel weiter geht. Ich stand auf der Gegenseite und bin dann hinter das Tor zu unserer Tribüne. Ein Fan hat mir dann meinen rechten Schuh zugeworfen. Auf einmal stehe ich bei Willi Entenmann und der schaut mich verdutzt an und fragt: „Was ist denn mit dir?“ Ich habe dann gesagt: „Trainer, ich habe keinen Schuh und kein Trikot mehr!“ Er hat mir dann seinen linken Turnschuh gegeben, obwohl er Schuhgröße 44/45 hatte und ich Größe 41. Ein Fan hinter uns hat mir dann sein XXL-Fan-Trikot ohne Nummer gegeben und so habe ich dann die letzten fünf Minuten gespielt. Dann kam der tatsächliche Schlusspfiff und Hans Dorfner schmeißt mir sein Trikot direkt vor die Füße. Da standen dann plötzlich wieder 20-30 Leute um mich herum und haben an mir gezerrt. Ich habe dann gesagt: „Stopp, macht mal ruhig jetzt und geht alle mal zwei Schritte zurück.“ Ich habe dann alles ausgezogen und war am Schluss praktisch nackt. Die Jungs wollten alle meine Hose ergattern und ich musste noch ca. 100 Meter nackt bis zur Kabine laufen. Von der Bildzeitung hat mich da noch jemand erwischt. Ich sehe Andi Köpke heute noch, wie die Tür aufgeht, weil man ja nicht damit rechnet, dass jemand nackt reinkommt. Die Jungs haben dann gefragt was ich gemacht hätte und ich habe geantwortet: „Ich habe mein letztes Hemd für den Verein gegeben!“ Martin Schneider hat dann Montag bei mir angerufen und gesagt ich wäre nackt in der Bildzeitung. Das nackte Bild von mir ist immer das, auf was ich als erstes angesprochen werde, aber da muss ich eben mit leben!

Verletzungsbedingt hast du schon mit 29 Jahren dein letztes Spiel als Fußballprofi absolviert. Welche Verletzung hat dich denn in die Knie gezwungen?
In die Knie gezwungen trifft es ganz gut. Wir haben gegen Bayern gespielt und ich bin reingegrätscht. Michael Sternkopf wollte noch über mich drüber springen, hat mich aber mit seinen hinteren Stollen am Knie getroffen. Ich habe zwar noch weitergespielt und 1 ½ Jahre gekämpft, trainiert und Reha Zentren besucht, um zu verhindern, dass es zur Sportinvalidität kommt, aber leider ist es doch so gekommen. Ich muss sagen, dass ich nicht nachtrauere, aber ich hätte gerne noch ein paar Jahre Fußball gespielt, weil ich auf einem ganz guten Level war. Ich hätte gerne die 250 oder 300 Spiele beim Club vollgemacht, aber man muss es eben so nehmen, wie es kommt.

Ist es dir sehr schwer gefallen die große Fußballbühne zu verlassen?
Auf jeden Fall! Fußball war mein Leben. Es war als Kind immer mein Traum Fußballprofi zu werden. Ich habe auch gelebt wie ein Fußballprofi. Viele sagen immer wir hätten früher nur gefeiert. Aber ich trinke bis heute noch keinen Alkohol und rauche nicht. Heute kann man im TV seine Gegner aus zehn Perspektiven analysieren und ich habe mir früher immer Notizen gemacht, wenn ich gegen Rummenigge gespielt habe oder gegen Jürgen Wegmann oder Frank Mill. Ich habe dann Positives und Negatives auf Karteikarten geschrieben und mich richtig vorbereitet. Früher wusste man schon zwei, drei Wochen früher wer gegen einen spielt. Heutzutage sind ja so viele Spieler im Kader und die Trainer wechseln auch ständig durch. Es hat mir also schon weh getan, aber wie gesagt, es gibt Schlimmeres auf der Welt.                                                                                                                                                                                                         
Glaubst du, dass du in deiner Karriere alles richtig gemacht hast oder würdest du heute etwas anders machen?
Ich würde es wieder genauso machen. Nur im eigenen Verein würde ich mich besser verkaufen, weil ich nicht so das Geld verdient habe, was meiner Leistung entsprochen hat. Es war aber trotzdem eine geile Zeit und wie schon gesagt, Geld ist für mich nicht alles im Leben. Ich war zufrieden in Nürnberg und wollte eigentlich nicht weg. Wenn wir abgestiegen wären, wäre ich wahrscheinlich auch in die Regionalliga mitgegangen und hätte es versucht. Ende 1993 wollte mich Rolf Rüssmann nach Gladbach holen, aber ich habe es wegen der Verletzung leider nicht mehr geschafft. Ob ich es letztendlich gemacht hätte, weiß ich nicht.

Du hast mit Spielern wie Andreas Köpke, Hansi Dorfner oder Stefan Reuter zusammengespielt. Gab es Mitspieler, die dich beeindruckt haben? 
Es gibt immer Menschen, die einen während der Karriere prägen. Stefan Reuter, Martin Schneider und ich haben, als ich gekommen bin, sechs, sieben Monate in einer WG gelebt. Stefan war auch bei meinem Probetraining da. Er war einer meiner Fürsprecher und auch gewissermaßen die rechte Hand von Heinz Höher. Ich habe Stefan Reuter viel zu verdanken und es war auch geil mit ihm zu spielen. Er war wie eine Rakete und auch menschlich ein super Typ. Andi Köpke war ein überragender Torhüter und Mensch. Wir hatten damals den teuersten Mannschaftsbus gehabt, weil wir oft sechs, sieben Stunden fahren mussten. Die anderen Mannschaften sind meistens geflogen oder mit dem Zug gefahren. Köppi und ich haben dann immer hinten gesessen und Schnauz, Backgammon oder irgendwelche Kartenspiele gespielt. Wenn wir uns heute noch sehen umarmen wir uns und es ist sehr freundschaftlich. Auch mit den anderen Mitspielern ist das so. Da ist niemand dabei, der dem anderen nichts gegönnt hätte. Wir waren schon eine geile Truppe. Ich sage mal spielerisch waren wir vielleicht nicht die Besten, aber menschlich überragend. 

Hattest du ein Vorbild?
Das war Franz Beckenbauer. Der hat mich meine ganze Karriere geprägt. Ich habe zu Hause auch seine ganzen Bücher. Einmal wurde bei Martin Schneider angerufen. Ich bin rangegangen und es hat sich Franz Beckenbauer gemeldet. Stephan Beckenbauer war sein Sohn und über Martin Schneider hatte ich mit diesem viel Kontakt, also er war einer meiner Freunde. Ich habe gedacht Stephan will mich verarschen und ich habe gesagt: “Jaja Stephan, du bist das doch?!“ „Nein, ich bin´s wirklich, der Franz Beckenbauer!“, sagte Franz. Dann habe ich ihn weitervermittelt. Ich hatte eine überragende Saison als Manndecker und habe die ganzen Nationalmannschaftsspieler, wie z.B. Klinsmann ausgeschaltet. Mit Franz Beckenbauer hat es für die Nationalmannschaft leider nie Kontakt gegeben, denn früher gab es auf den Positionen nur Granaten und es hat nicht gereicht, wenn man mal ein viertel Jahr gut gespielt hat. Da musste man schon über ein, zwei Jahre konstant gut spielen, um überhaupt mal rein zu kommen. Das Thema war dann erledigt. Später war Franz Beckenbauer bei Bayern München Trainer und dann hat mich Hermann Gerland angerufen und gesagt, dass die Bayern einen Manndecker suchen und ich auf der Liste stehen würde. Am Schluss ging es dann um Kreuzer oder mich. Beckenbauer hat sich für Kreuzer entschieden, weil er einen gebraucht hat, der auch mal vor 80.000 Zuschauern die Leute richtig weggrätscht oder auch in der Luft die Hoheit hat. Ich war da körperlich wahrscheinlich nicht so entwickelt. Aber trotzdem war er mein Idol und über die Jahre hatte ich dann über solche Anekdoten mit ihm zu tun.

Welchen Trainer würdest du als deinen besten Trainer bezeichnen und warum? 
Ich hatte von unten bis nach oben nur gute Trainer. Ich sage mal der Wichtigste, um eigentlich beim Profiverein 1. FC Nürnberg anzukommen, war Antun Rudinski bei der SpVgg Bayreuth. Er war ehemaliger jugoslawischer Nationalspieler und hat mein Talent erkannt. Heinz Höher hat mich dann geprägt, so dass ich in die Bundesliga kommen und dort Fuß fassen konnte. Dann ist Hermann Gerland gekommen, der mir nochmal den Feinschliff gegeben hat, um nicht nur ein guter Bundesligaspieler zu werden, sondern auch Leistungsträger beim 1. FC Nürnberg. Dann kamen Arie Haan und Willi Entenmann. Bei Arie Haan habe ich sehr hoch im Kurs gestanden. Er hat ab und zu mal mit mir über die Aufstellung geredet und mich gefragt, wie wir spielen sollen. Ich habe aber immer gesagt, er sei der Trainer. Die Leute, die mit mir auf der Verteidigerposition spielen sollten, waren alles meine Freunde, ob Thomas Brunner oder Uwe Wolf. Er hat mich dann gefragt mit wem ich spielen will, aber mir war es egal, weil er sich am Schluss rechtfertigen musste und nicht ich. Aber ich hatte seit meinem 18. Lebensjahr nur Ex-Profis als Trainer gehabt und wenn man solche Spieler als Trainer hat dann muss man sich weiterentwickeln. Auch wenn man bei deren Gesprächen aufmerksam ist. Ich habe immer gerne mit den Älteren zu tun gehabt. Auch als 18-Jähriger war ich immer bei den 25-jährigen wenn die aus ihren Karrieren erzählt haben. Da war ich immer sehr wissbegierig und habe mich an denen orientiert.

Wie hat dich die Stimmung im Stadion beeinflusst? Gab es Stadien in denen du nicht gerne, bzw. sehr gerne gespielt hast?
Wenn man jung ist prägt einen die Stimmung im Stadion. Für mich war damals auch nicht das Geld entscheidend, um in der Bundesliga zu spielen, sondern die Stadien. Wir haben früher natürlich das Pech gehabt, dass die meisten Stadien eine Tartanbahn hatten. In München hat man vor 78.000 Menschen gespielt, das war schon Wahnsinn. Dortmund, Bochum oder Kaiserslautern, das waren geile Stadien. Da gab es keine Tartanbahn und die Zuschauer waren nah dran. Das hat einen schon motiviert, auch wenn die Fans einen ausgepfiffen haben. Heutzutage ist ja fast jedes Spiel ausverkauft. Früher in Nürnberg hat man vor 20.000 Leuten gespielt. Meine Devise war immer, dass der Funke hoch zum Publikum springen muss und wieder runter. Gegen Dortmund oder Stuttgart hatten wir z.B. freitagabends Flutlichtspiele, in denen wir in der 90. Minute das Siegtor gemacht haben. Da trägt einen das Publikum und die Atmosphäre und man kann die Linie rauf und runter laufen. Es kann natürlich auch negativ sein, wenn man daheim gegen den Tabellenletzten verliert und dann ausgepfiffen wird. Aber es gibt nichts Geileres als vor vielen Zuschauern zu spielen. Deswegen bin ich mal gespannt, wie die Spiele die nächsten Wochen ausfallen, wenn wegen dem Corona-Virus in leeren Stadien gespielt wird. Da wird es einige Überraschungen geben.

Gibt es bestimmte Spiele oder Szenen, an die du dich besonders gerne zurückerinnerst?
An meine Tore kann ich mich noch gut erinnern. Mein erstes Tor z.B. in Hamburg war schön. Aber auch die Elfmeter und der vergebene Elfmeter in München. Das sind einige Aktionen, die werde ich mit ins Grab nehmen.

Pflegst du noch heute Freundschaften mit ehemaligen Weggefährten?
Mit den einen mehr, mit den anderen weniger. Man muss eben um die Freundschaften kämpfen. Ich war z.B. der erste von meinen Leuten in der jetzigen Traditionsmannschaft.

Heute sitzen Spieler mit Smartphone und Kopfhörern im Bus und jeder macht sein eigenes Ding. Würdest du sagen, dass früher eine bessere Kameradschaft herrschte?
Natürlich, früher hat man ja viel mehr miteinander gesprochen. Ich war bei uns früher zwar auch derjenige, der die Filme für den Videorekorder im Bus besorgt hat, aber am meisten haben wir Karten gespielt und uns unterhalten. Die, die aus dem Westen kamen haben gepokert, die aus Bayern haben Schafkopf gespielt und einige Jungs, wie unter anderem Andi Köpke und ich, haben dann Backgammon, Schnauz und Mau-Mau gespielt. Wir haben uns viel miteinander abgegeben und hatten eine großartige Kameradschaft. Mit Hans Dorfner z.B. war ich auch privat außerhalb des Sportplatzes viel zusammen. Hans hat immer gesagt: „Ich bin ohne euch nichts, ihr seid ohne mich nichts auf dem Platz.“ Und dann haben wir gekämpft, auch wenn der Gegner viel stärker war. Wenn ich heute im Stadion erkannt werde, bekomme ich gesagt, früher wäre alles anders gewesen, da hätten wir mit Leidenschaft gekämpft. Es war früher auch einfach anders. Wir waren aber auch menschlich anders, weil wir ja noch alle einen anderen Job hatten. Ich war z.B. Maler und Lackierer. Heutzutage kommen die Jungs aus der Schule raus und haben keine Vorstellung davon, was 1000 € wert sind. Heute wird man zugeschmissen mit Geld und früher war das eben nicht so. Wir haben gewusst was unsere Fans uns bedeuten. Wir wussten, dass das Verrückte waren, die für den Verein lebten. Da wurde manch einer zu Hause rausgeschmissen, weil er sich für den Club und nicht für die Ehefrau entschieden hat.

Wer war das größte Partytier unter deinen Mitspielern?
Wir hatten Jeans, Schuhe und Hemd immer im Kofferraum, sind aber nur weggegangen, wenn wir ein Spiel gewonnen hatten. Wenn wir verloren haben sind wir schnell nach Hause. Wir waren dann immer so sechs, sieben Leute und da ist es auch gut zu gegangen, aber ich bin immer gefahren, weil ich keinen Alkohol getrunken habe. Aber jemanden, der richtig übertrieben hat, gab es eigentlich nicht. Wir sind samstags auch mal weggegangen und um 5:00 Uhr morgens heimgekommen, wenn um 10:00 Uhr wieder Training war. So richtig die Sau rausgelassen hat eigentlich niemand, aber die Jungs konnten schon gut feiern.

Warum gibt es deiner Meinung nach heute so wenige echte Typen im Profifußball?
Ich betreue ja auch schon seit Jahren Kinder und Jugendliche und es gibt eigentlich immer das gleiche Konzept. So wie früher, dass man mal machen konnte, was man wollte, wird gar nicht zugelassen. Es wird immer das Gleiche trainiert. Wenn jemand spielerisch stark ist, wird er quasi gezwungen immer den Ball abzuspielen. In unserer Zeit war das ganz anders. Ich hätte z.B. aufs Gymnasium gehen können, aber ich wollte lieber daheimbleiben, weil ich dann früher auf den Bolzplatz konnte. Wenn dann um 17:00 Uhr mein Vater nach Hause kam, habe ich schnell gegessen und bin wieder auf den Bolzplatz. Diese Bolzplatzmentalität hat uns schon geprägt. Früher gab es so viele unterschiedliche Spieler und heutzutage sind eigentlich alle gleich. Wir hatten eben einen der mehr gekämpft hat, einer der schneller war oder einen der besser im Kopfball war und heutzutage sind eben alle gleich. Vom Zweikampf her ist das heute auch teilweise luschig, da geht keiner mehr richtig in die Zweikämpfe. Es wird aber auch nicht mehr trainiert. In den Nachwuchsmannschaften gibt es praktisch keine Zweikämpfe mehr, da wird mit ganz wenigen Ballkontakten gespielt und nicht in die Zweikämpfe gegangen. Und mit dieser Ansicht bin ich auch nicht allein. Ich versuche meine Spieler immer auch eins gegen eins trainieren zu lassen, weil es wichtig wegen den Zweikämpfen ist. Heute in der Viererkette wird nur noch zehn Meter nach links oder rechts geschoben. Oder vorne wird nur noch in den Strafraum gegangen. Dieter Eckstein hat zu seiner Zeit Tore aus 25 Metern geschossen. Der würde in der heutigen Zeit untergehen, weil der Trainer fordert in den Sechzehner zu gehen und am Fünfmeterraum nochmal quer zu legen. Wir mussten auch noch richtig malochen und haben eben die Zweikämpfe geführt. Ich bin auch genauso gerne nach vorne gelaufen wie rückwärts. Ich sage auch immer meinen Spielern, dass sie rückwärts genauso schnell laufen müssen wie vorwärts. Man muss aber auch immer den richtigen Trainer haben. Ich z.B. hatte jemanden wie Hermann Gerland. Das war ein absoluter Kämpfer. Man durfte auch früher keine Allüren haben und zum Trainer sagen, dass man nur auf seiner Lieblingsposition spielen will. Man spielte eben da, wo man gebraucht wurde und man hat sich angepasst. Heute ist das alles etwas anders.



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