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Interview mit Joachim Philipkowski

"...Trainer Willi Entenmann wollte mich auswechseln, ich bin aber nicht vom Platz gegangen."

Joachim Philipkowski spielte für den 1. FC Nürnberg und den FC St. Pauli in der Bundesliga. Er hat mit uns über Europapokalabende und Diskussionen mit Trainern gesprochen.

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von Nico Petrowsky


Joachim Philipkowski, bevor wir uns mit der Vergangenheit befassen. Was machst du heute beruflich?
Ich bin immer noch Fußballtrainer in der U23 des FC St. Pauli. Meine St. Pauli Vergangenheit beträgt jetzt mittlerweile 30 Jahre. Sieben Jahre als Spieler, der Rest als Trainer.


Du bist als Kind aus Polen nach Deutschland gekommen. Hat es dir bei deiner Integration geholfen, dass du außergewöhnlich gut Fußball spielen konntest?
Das war ein großer Vorteil. Ich wurde quasi auf dem Bolzplatz entdeckt und bin in der D-Jugend zu Barmbeck-Uhlenhorst gewechselt.


Trainer Bernd Brehme, Vater von Weltmeister Andreas Brehme, setzte dich als A-Jugendlicher schon in der Oberligamannschaft des HSV Barmbek-Uhlenhorst ein. Hattest du da schon Hoffnung, den Weg in den Profifußball zu finden?
Nein, soweit habe ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht gedacht. Ich hatte einfach Spaß am Fußball und war froh, dass ich dort spielen konnte. Wir hatten eine gute A-Jugend und dann ging es auch zügig zu den Herren. Mein erster Gedanke war trotzdem erstmal eine Ausbildung zu machen. Es hat sich dann einfach alles nach und nach entwickelt.


Der Zweitligist 1. FC Saarbrücken wollte dich und Andy Brehme 1980 verpflichten. Während Brehme wechselte, hast du dich entschieden zu bleiben, um deine Maschinenschlosser-Ausbildung erst zu beenden. Kam diese Vernunft von dir oder haben deine Eltern dich beeinflusst?
Ja, im Prinzip war das bei uns von Haus aus so geprägt, dass mein Vater gesagt hat, ich soll erstmal eine vernünftige Ausbildung machen und dann sehen wir weiter. Für mich stellte sich dann die Frage, ob ich die Ausbildung in Saarbrücken hätte weitermachen können, denn ich hatte schon 1 ½ Jahre hinter mir. In Saarbrücken wäre es aber nicht möglich gewesen, die Ausbildung fortzusetzen. Deshalb habe ich mich für die Ausbildung entschieden.


Stattdessen bist du zum FC St. Pauli innerhalb der Oberliga gewechselt, wo du dann vier Jahre später doch noch den Aufstieg in die zweite Bundesliga feiern konntest. Nach nur einem Jahr in der zweiten Liga stieg St. Pauli wieder ab und du hast dich dem Bundesliga-Aufsteiger 1. FC Nürnberg angeschlossen. Wie entstand der Kontakt zum „Club“ und warum ausgerechnet Nürnberg?
Es waren damals drei Vereine im Gespräch. Nürnberg, Hannover und Saarbrücken. Nach Nürnberg hat mich ein Spieler der älteren Generation als Berater vermittelt, leider fällt mir der Name gerade nicht ein. Für mich war das aber der richtige Schritt.


Hast du deinen Vertrag selbst ausgehandelt und kannst du dich an dein erstes Gehalt als Bundesliga-Spieler erinnern? 
Das habe ich alles selbst gemacht. Aber wie ich mit meinem ersten Gehalt umgegangen bin, weiß ich leider nicht mehr. Heutzutage ist man ja sehr verwöhnt und privilegiert als Fußballprofi und damals war ich erstmal froh, überhaupt diese Chance zu bekommen. Ich hätte vermutlich alles angenommen, weil ich einfach unbedingt Bundesliga spielen wollte. Nach den ersten zwei Jahren wurde dann nachverhandelt und auch das Gehalt hat sich erhöht. Aber es waren keine Unsummen wie heute, die da geflossen sind.


In Nürnberg warst du auf Anhieb Stammspieler. Worin lagen für dich die größten Unterschiede zwischen 2. und 1. Bundesliga?
Die 2. Bundesliga war schon sehr kampfbetont. In der 1. Bundesliga wurde im Gegensatz mehr Fußball gespielt und die Qualität war höher. Man hat eben mehr auf die fußballerischen Fähigkeiten geachtet, als auf die kämpferischen. Aber da liegen mittlerweile auch 36 Jahre dazwischen. Dennoch war der Unterschied zwischen 1. und 2. Bundesliga beachtlich.


In deinem dritten Jahr in Nürnberg konntet ihr euch 1988 für den UEFA-Cup qualifizieren, wo es in der ersten Runde gegen keinen geringeren als den AS Rom ging, der mit Stars wie Rudi Völler und Bruno Conti bespickt war. Welche Erinnerungen hast du an den 2:1-Sieg und gleichzeitig dein erstes Europapokalspiel?
Das blieb auf jeden Fall hängen. Ich habe damals auch ein Trikot ergattert, das immer noch bei mir zu Hause hängt. Das sind große Erinnerungen, wenn man in Rom mit 2:1 gewinnt. Leider haben wir im Rückspiel in Nürnberg ganz ärgerlich verloren. Aber diese Spiele waren wirklich prägend, weil man die Chance hatte, nochmal eine Stufe höher als Bundesliga zu spielen.


Nach diesem tollen Erfolg konntet ihr die nächsten acht Bundesliga-Spiele, das DFB-Pokalspiel, sowie das Rückspiel gegen Rom nicht gewinnen. Kann man diese Misere mit dem Erfolg in Rom verbinden?
Nein, das würde ich nicht sagen. Nachdem wir in der Vorsaison einen tollen 5. Platz erreicht hatten, haben uns einige Stammkräfte verlassen und es gab einen kleinen Umbruch. Wir haben dann einfach eine gewisse Zeit gebraucht, um uns wieder zu finden.


Das Rückspiel sollte auch dein letztes Europapokalspiel gewesen sein, nachdem ihr in der Verlängerung ausgeschieden seid. Hattest du nicht irgendwann die Ambitionen, zu einem Verein zu wechseln, bei dem Europapokal zum Alltag gehört?

Also ich hatte in Nürnberg eine sehr schöne Zeit, aber damals war das mit den Ablösesummen noch anders geregelt. Wenn die Verträge ausliefen, konnte man nicht einfach wechseln, das ging erst nach dem Bosman-Urteil 1995. Der Verein hatte wohl eine Anfrage aus Uerdingen für mich, aber das habe ich erst im Nachhinein erfahren. Bayer Uerdingen war damals auch eine angesehene Adresse in der Bundesliga und da hätte ich wechseln können, nur wurde es mir vom Verein nicht mitgeteilt, da man mich beim Club halten wollte.


Als deine Einsatzzeiten immer geringer wurden, hast du den Club nach sieben Jahren wieder in Richtung St. Pauli verlassen, das damals in der zweiten Bundesliga zu Hause war. Ist es dir schwergefallen, die große Bühne Bundesliga zu verlassen?
Nein, ich war auch schon ein älterer Spieler und außerdem hatte ich eine Auseinandersetzung mit Willi Entenmann. Ich habe ihm auf dem Platz widersprochen und er wollte mich auswechseln, ich bin aber nicht vom Platz gegangen. Nach dem Training wurde ich dann in die Trainerkabine zitiert und er teilte mir deutlich mit, dass ich, solange er Trainer ist, keine Zukunft mehr in Nürnberg habe. Ich wollte mit 31 Jahren aber auch noch Fußball spielen, also hat Nürnberg für mich in diesem Fall keine Perspektive mehr geboten. Ich hatte ohnehin im Kopf, irgendwann wieder nach St. Pauli zurückzukehren und somit hat sich eben die Möglichkeit ergeben nochmal ein neues Kapitel anzufangen.


Auch bei St. Pauli kamst du nur noch sporadisch zum Einsatz und hast nach zwei Jahren deine Karriere 1994 beendet und bist nahtlos in die Nachwuchsarbeit übergegangen. Hattest du einen Plan, wenn es nicht im Fußball für dich weitergegangen wäre?
Nein, einen Plan hatte ich tatsächlich nicht. In meiner letzten Zeit als Profi hatte ich mit längeren Verletzungen und Operationen zu kämpfen und ich hatte gegen Ende nur noch Schmerzen. Es kamen viele junge Spieler nach und ich habe gemerkt, dass ich mit meinen 33 Jahren nicht mehr so recht mithalten konnte. Wie es dann mit dem Zufall manchmal so ist, hat mich die Jugendleiterin von St. Pauli, Inge Schnell, angesprochen, ob ich nicht Lust hätte, die U19 zu trainieren. Ich hatte 1993 schon meine A-Lizenz gemacht beim DFB. Ich hatte also so ganz grob im Hinterkopf vielleicht in Richtung Trainergeschäft zu gehen. Dann kam das Angebot und ich habe angenommen. Nach zwei bis drei Monaten habe ich auch schnell gemerkt, wie wahnsinnig viel Spaß mir das macht. Seitdem bin ich dabeigeblieben.


Du hattest Trainer wie Hermann Gerland oder Arie Haan. Wer war dein persönlicher Trainer-Favorit?
Ganz klar Hermann Gerland. Ein guter Typ und Teamplayer, der sehr gute Stimmung verbreitet hat. Unter ihm habe ich mich wirklich jeden Spieltag topfit gefühlt. Von ihm konnte ich sehr viel mitnehmen.


Gibt es bestimmte Spiele oder Szenen, an die du dich besonders gerne zurückerinnerst?
Das bayerische Derby - 1.FC Nürnberg gegen Bayern München. Das war im November 1989 und der Platz war gefroren. Dieses Spiel haben wir 4:0 gewonnen. Die Bayern hat man eben nicht allzu oft besiegt. Und an diesem Spieltag hatten die Bayern das falsche Schuhwerk dabei. Der Zeugwart hatte wohl vergessen, die richtigen Schuhe einzupacken. Jedenfalls spielten die Bayern nicht mit Tausendfüßlern auf dem harten Boden, sondern mit Lederstollenschuhen. Das war für uns ein großer Vorteil.


Gibt es Dinge, die du heute in deiner Karriere als Spieler anders machen würdest?
Also gerade diese eine Auseinandersetzung mit Willi Entenmann hätte ich aus heutiger Sicht besser anders gelöst. Da habe ich mich selbst überschätzt, weil ich Stammspieler war. Diese Auseinandersetzung hat mir letztendlich die Beine weggehauen.


In welchen Stadien hast du am liebsten gespielt?
Die gelbe Wand war schon gigantisch. Das neue Frankenstadion hat auch sehr viel Spaß gemacht. Besonders viel Spaß gemacht hat es generell immer in Stadien, die keine Laufbahn hatten. Da sind die Zuschauer einfach näher dran und die Stimmung ist intensiver. Das hat einen immer sehr gepusht.


Ich würde dir gerne einige Namen nennen und dich zum Abschluss darum bitten, aufgrund persönlicher Erfahrungen etwas zu ihnen zu sagen:
Klaus Thomforde: Hat mich als Co-Trainer noch länger begleitet. Wir sind heutzutage auch noch gut befreundet.


Stefan Reuter: Nach den gemeinsamen Nürnberger Zeiten hat man sich danach etwas aus den Augen verloren und nur noch ab und zu mal gesehen. In den letzten zwei Jahrzehnten habe ich ihn aber nur noch im Fernsehen gesehen.


Dieter Eckstein: Mit ihm hatte ich nach meiner Karriere noch öfter Kontakt, z.B. habe ich ihn bei Ausflügen nach Nürnberg besucht. Aber die letzten zehn Jahre haben wir uns nicht mehr gesehen. Mit ihm bin ich aber irgendwie immer noch verbunden, weil wir Zimmernachbarn bei den Spielen waren und auch privat viel unternommen haben.


Andreas Köpke: Ihn hat man natürlich durch seine Tätigkeit beim DFB viel gesehen. Aber auch mit ihm habe ich keinen Kontakt mehr.


Souleyman Sané: Mit ihm hatte ich auch noch öfters Kontakt, als ich Leiter des Nachwuchsleistungszentrums bei St. Pauli war, weil wir dann mit den U-Mannschaften oft in Duisburg waren. Dort haben wir uns auf den Sportplätzen getroffen und gequatscht. Seit ich U23 Trainer bin, war ich aber nicht mehr in Duisburg und somit hat sich dieser Kontakt etwas gelegt.

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